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1699 bot Graf Johann Philipp zu Ysenburg und Büdingen hugenottischen
Flüchtlingen in bewaldeter Umgebung und dicht an der Grenze zu Frankfurt einen
Platz zum Siedeln an. Damit war Ärger mit den Nachbarn programmiert. Damals diente
der Wald als Lebensgrundlage für viele Menschen. Sie brauchten ihn, um Brennholz
zu sammeln, um Bauholz zu schlagen oder um Laubstreu zu nutzen. Vor allem aber trieben
die Bauern ihre Kühe, Schweine und Ziegen in den Wald, um sie zu mästen. Dabei
fraßen die Tiere die jungen Baumschösslinge ab, so dass sich der Wald kaum
regenerieren konnte. Er befand sich daher auch in der Umgebung der neuen
Siedlung in einem schlechten Zustand.
Die Einwohner der Dörfer in der Dreieich hatten historische Rechte
auf die Nutzung des Waldes, die sie energisch verteidigten. Diese Rechte
bezogen sich auch auf entferntere Gebiete. So durften beispielsweise die
Landgräflich Hessen-Darmstädtischen Bauern aus Langen und Egelsbach ihr
Hornvieh über die Grenze in die Ysenburgischen Wälder treiben.
Für den Bau des hugenottischen Dorfes, das bald den Namen
Neu-Isenburg tragen sollte, musste Wald gerodet wurde. Weiterhin wurden den
Neusiedlern Wiesen zugesprochen, die bis dahin die Sprendlinger nutzten. Die
Einschränkungen der Weiderechte für die Neu-Isenburger Nachbarn führten 1701 zu
handfesten Auseinandersetzungen: Langener und Egelsbacher Bauern trieben ihre
Kühe über die frisch angelegten Felder der Neusiedler, die sich mit „Flinten,
Spießen, Wurzelknüppeln und Steinen“ wehrten. Die Sprendlinger begegneten den
Hugenotten ebenfalls mit offener Feindschaft.
Auch der Rat der Stadt Frankfurt wehrte sich gegen die
Neuansiedlung. 1702 bauten die Frankfurter dicht an ihrer Grenze zum
Ysenburgischen ein Forsthaus, das heutige Frankfurter Haus. Dort wollten sie das
Geschehen auf der anderen Grenzseite überwachen. Zunächst erlaubte der
Frankfurter Rat den mäßigen Gebrauch des Stadtwaldes, unter der Bedingung, dass
die Neuankömmlinge die Zahl ihrer Kühe auf 60 Tiere begrenzten. Die Hugenotten
konnten jedoch mit dieser Beschränkung nicht überleben. Deshalb sollen sie bis
zu 400 Rinder in den Stadtwald getrieben haben. Der Frankfurter Rat klagte 1718
gegen den Missbrauch vor dem kaiserlichen Gericht. Erst 1731 kann es zu einem
Urteil: Die Siedler durften von nun an ihr Vieh gar nicht mehr in den Stadtwald
treiben. Das wiederum führte dazu, dass die Sprendlinger in große Bedrängnis
gerieten, denn sie mussten das Vieh der Neu-Isenburger nun in ihrem Wald weiden
lasssen.
Graf Wolfgang Ernst, der Nachfolger von Johann Philipp, dem Stadtgründer Neu-Isenburgs, bezeichnete die Ansiedlung der Hugenotten sogar als großen Fehler: Der magere Boden konnte die Siedler kaum ernähren, die ansässigen Untertanen wurden in ihrem Auskommen beeinträchtigt und die erhofften zusätzlichen Einnahmen für die Grafschaft blieben aus. Das Vorhaben zur Errichtung einer bäuerlichen Siedlung war gescheitert. Erst der Wandel zu einem Handwerkerdorf im Laufe des 18. und die im späten 19. Jahrhundert einsetzende Industrialisierung legten den Grundstein für das heute prosperierende Neu-Isenburg.
Text: Wilhelm Ott, Sprecherin: Kim Bagus, Intro: Ulrich Fogel
Literatur: H.
Floch, Aus den Anfängen der Kolonie Neu-Isenburg, Landschaft Dreieich, 1936
F. Illert, Geschichte der Colonie und Stadt Neu-Isenburg bei Frankfurt am Main,
1899