Die
„Gemarkung“ ist eine lokale Flächeneinheit mit
großer historischer Bedeutung. Sie grenzte Siedlungsgebiete mit
ihren hoheitlichen Rechten und Pflichten ab und wurde vielfach im
Gelände durch Markierungen mit Grenzsteinen festgelegt. In der
heutigen staatlichen Verwaltung ist die „Gemarkung“ nur
noch ein katasterrechtlicher Begriff, der die örtliche Zuordnung
von Grundstücken beschreibt. So besteht die heutige
Gemarkung üblicherweise aus verschiedenen Fluren, die wiederum in
Flurstücke (d.h. Einzelgrundstücke) unterteilt sind.
Nachzulesen ist das in den Grundbüchern, die bei den
zuständigen Amtsgerichten geführt werden.
Wir befinden uns hier in der Gemarkung Sprendlingen. Die
übergeordnete Einheit ist die Stadt, die im Katasterwesen
allerdings als „Gemeinde“ bezeichnet wird. Die
„Gemeinde“ Dreieich besteht aus den Gemarkungen
Sprendlingen, Buchschlag, Dreieichenhain, Götzenhain und
Offenthal. Die „Gemeinde“ Neu-Isenburg besteht aus den
Gemarkungen Zeppelinheim und Neu-Isenburg. Die „Gemeinde“
Langen besteht nur aus der Gemarkung Langen. Die Verwaltungsebenen
über der „Gemeinde“ bilden die Kreise, die
Regierungsbezirke und die Bundesländer.
Früher gab es Forstgemarkungen, die keiner Wohnsiedlung zugeordnet
waren, die sogenannten gemeindefreien Gemarkungen. Beispiele sind die
Gemarkungen Gravenbruch, Koberstadt oder Mitteldick. Die ehemalige
Gemarkung Mitteldick, in der wir uns hier befinden, umfasste das
Waldgebiet zwischen Frankfurt im Norden und Westen, Neu-Isenburg und
Sprendlingen im Osten und dem Langener Wald im Süden. 1905 wurde
ein Teil dieses Gebietes als Gemarkung Buchschlag abgetrennt. Das
gleiche geschah 1938 zugunsten der neuen Gemarkung Zeppelinheim. In den
1950er Jahren beschloss die Hessische Landesregierung, die
gemeindefreien Gemarkungen aufzulösen und sie unter den
benachbarten Gemeinden bzw. Gemarkungen zu verteilen.
Es begann ein heftiges Hauen und Stechen. Gewinner bei der
Gemarkungsaufteilung von Mitteldick waren Neu-Isenburg, Langen und
Buchschlag, während Zeppelinheim und Sprendlingen nur kleinere
Teilgebiete zugesprochen wurden. Sprendlingen erhob Anspruch auf den
Wald zwischen Main-Neckarbahn und der Dreieichbahn. Buchschlag legte
Widerspruch ein: Das Waldstück könne von Buchschlag aus
besser erschlossen werden. Sprendlingen verwies hingegen auf seine
Pläne, hier ein Sportzentrum zu errichten. Schließlich wurde
das Gelände geteilt: Die nächste Schneise bildet heute die
Gemarkungsgrenze. Hier ist Sprendlinger Gebiet, der Wald auf der
anderen Schneisenseite ist Buchschlag zugeordnet.
In den 1950er Jahren waren die Gemeinden und Städte freier in
ihren Entscheidungen, was in ihren Gemarkungen zu geschehen hat, so
konnte Buchschlag damals sein Industriegebiet auf der westlichen Seite
der Bahn in dem dazugewonnen Waldgebiet errichten. Das wäre heute
im Zuge der Regionalplanung nicht mehr möglich. Auch können
wir froh sein, dass die Pläne der Stadt Sprendlingen nicht
verwirklicht wurden, hier in diesem schönen Wald ein Sportzentrum
zu bauen.
Text:
Wilhelm Ott, Sprecherin: Kim Bagus, Intro: Ulrich Fogel