Myriametersteine & mehr
Dieser Bericht handelt von Myriametersteinen, Hektometersteinen, Rottensteinen, Polygonsteinen und Fronsteinen. Allen gemeinsam ist, dass sie mit Flussläufen, Deichen und Hochwasserschutz zu tun haben. Eine kurze Erklärung: Myriametersteine wurden um 1870 bei der Rheinvermessung alle 10 km am rechten und/oder linken Ufer gesetzt. Hektometersteine stehen alle 100 Meter am Flussufer zwischen den Rheinkilometersteinen. Rottensteine begrenzen das Zuständigkeitsgebiet der Einwohner von bestimmten Orten für die Deichüberwachung. Polygonsteine sind Vermessungsmarken auf Deichen (in Süddeutschland auch als Dämme bezeichnet), insbesondere zur Überwachung von Höhenveränderungen. Fronsteine sind ähnlich wie Rottensteine Begrenzungsmarken für die Zuständigkeiten frondienstleistenden Bewohner flussnaher Orte.Im Ried findet man auch Vermessungssteine. Ich danke Herrn Manfred Drobnik aus Gernsheim für die umfangreichen Informationen und Lagebeschreibungen zu den in diesem Bericht beschriebenen Steinen. Hier können Sie Standorte der Myriametersteine und der Rottensteine in Hessen als GPX-Datei herunterladen und auf Ihrem GPS-Gerät speichern.
Myriametersteine in Hessen
Nach der Begradigung des Oberrheins beschloss die Rhein-Central-Commission der Rheinanliegerstaaten 1863 die Vermessung des Rheins von der Mittleren Brücke in Basel bis zur Rheinmündung. Alle 10.000 Meter wurden Vermessungsmarken, die Myriametersteine, aufgestellt. -->Sehr guter Wikipedia-Artikel. und Wikimedia Commons. Üblicherweise trugen sie auf der Flussseite eine fortlaufende römische Bezifferung, darunter die Höhe über dem Amsterdamer Pegel. Die hessischen Steine bildeten eine Ausnahme, auf der Flussseite war nur die Entfernung von Basel in Kilometer angegeben (arabische Ziffern). Auf der Landseite sind die Entfernungen nach Basel und Rotterdam zu lesen und auf den Seiten die Entfernungen bis bzw. von der Landesgrenze. Dabei gab es Inkonsistenzen: an der badisch-hessischen Grenze bei Lampertheim und an der hessisch-preußischen Grenze bei Bingen wurde
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Die Mittlere Brücke in Basel befindet sich seit 1939 bei Rheinkilometer 166,66. Folglich stehen die alten Myriametersteine im Badischen nicht bei ganzzahligen Rheinkilometern, sondern bei xy6,66 (z.B. 416,66; 426,66; 436,66). An der Badisch-Hessischen Grenze bei Lampertheim wird der Kilometer 436,66 als 437 definiert (zweiter kurzer Kilometer). Im Hessischen stehen die Myriametersteine demnach an vollen Rheinkilometern, während sie im ehemaligen Preußen bei den Rheinkilometern xy7,48 stehen.
So viel zur Einleitung. Wir wollen uns hier zunächst mit den Myriametersteinen auf dem heutigen hessischen Territorium auf dem rechtsrheinischen Ufer beschäftigen. Um es gleich zu sagen: Es bleibt eine Reihe von Ungereimtheiten und offenen Fragen. Ich habe die Steine im August 2020 per Auto und Fahrrad erkundet.
Anmerkung 01/24: Kristof Doffing hat die im Besitz von Achim Seibert befindlichen Großkarten "Der Rhein-Verlauf von Worms bis Bingen" digitalisiert und im Internet verfügbar gemacht. Interessanterweise sind auf diesen Karten die Myriametersteine (leider nicht alle) eingetragen. Daraus kann man schließen, dass einige Myriametersteine versetzt worden sind: Myriamertstein 32 Trebur, Myriameterstein 34 Budenheim. Es könnte sich auch als simple Eintragungsfehler handeln. Weitere Einzelheiten in www.schiffundtechnik.de.
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Der Stein 31 auf der Schusterwörth bei Leeheim (-->Standort), direkt am Kilometerschild 477, besteht ebenfalls aus weiß gestrichenem Sandstein. Eine "477" auf der Stromseite ist nicht zu erkennen. Überraschenderweise kann man auf der Landseite undeutlich lesen "480 Km von Konstanz". Man gelangt zu ihm, wenn man von Leeheim aus zu der Satellitenmessstelle am Winterdamm fährt, dann dem Weg nach Süden folgt und an der nächsten Abzweigung nach rechts abbiegt, bis man an den Rhein kommt.
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Der Myriameterstein 33 am Rheinkilometer 497 auf der Maaraue bei Mainz-Kostheim besteht aus einem weißgestrichenem Betonquader hinter einem Markierungsstein mit Metallbolzen am Kilometerschild 497 (-->Standort). Der Besuch dieses Steins rentiert sich aus anderen Gründen: Parkt man an der Straße "Mainufer" in Kostheim und fährt mit dem Fahrrad auf der Maaraue dem Treidelweg dem Main entlang, dann kommt man zum Nullpunkt der Mainkilometrierung. Vorher sieht man Hektometersteine die im 45 Grad-Winkel am Mainufer stehen. Auf den beiden dem Main zugewandten Seiten sind dann die einsprechenden 100 Meter Ziffern angebracht. N.B. Die Donau wird ebenfalls von der Mündung ins Schwarze Meer stromaufwärts kilometriert. Da das Delta aber kontinuierlich wächst, gibt es dort negative Kilometerangaben.
Wenn wir mit dem Wagen rheinabwärts fahren, passieren wir an der Gemarkungsgrenze von Mainz-Amöneburg und Wiesbaden-Biebrich die ehemalige Grenze zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Herzogtum Nassau, das 1866 in das Königreich Preußen einverleibt wurde. Der nächste Myriameterstein westlich des Schiersteiner Hafens (-->Standort) am Rheinkilometer 507 stünde auf preußischem Gebiet. Das Kilometerschild steht auf einer Steinbuhne. Ich habe darauf verzichtet, 300 m auf wackeligen Steinen diese Stelle zu erreichen. Vom Ufer aus war kein Myriameterstein zu erkennen. Am Rheindamm und dessen Vorfeld: kein historischer Stein weit und breit. Mehr Informationen weiter unten.
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Auf dem Stein in Trebur sind es 14,941 km bis zur Landesgrenze. Addiert man dazu 15,227, erhält man als Summe 30,141. Dies ist die Entfernung zwischen beiden Steinen. Die 141 m Differenz zu vollen 30 km sind möglicherweise der Biegung des Rheins bei Mainz geschuldet, da die Kilometrierung in der Mitte der Fahrrinne definiert ist.
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Am 4.11.2020 besuchte ich die Straßenmeisterei in Geisenheim. Und wirklich: Der Stein steht auf einer Palette im hinteren Teil des Grundstücks. Es handelt sich um den ca. 80 cm langen oberen Teil des Myriametersteins. Auf einer Seite ist ein weißer Kreis mit einem schwarzen Rahmen aufgemalt. Der Stein ist an verschiedenen Stellen mit Mörtel ausgebessert. Auf der Unterseite kann man drei Dübellöcher für eine Verbindung mit einem Sockel/Fundament ausmachen. Trotz sorgfältiger Suche konnte ich auf den Seitenflächen keine Beschriftung erkennen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Myriameterstein Nr. XXXVII an seinem Standort am Rheinkilometer 537,48 zurückkehren wird.
Anmerkung 31.5.2023: Zu meiner Überraschung wurde ich von einem Mitarbeiter von Hessen-Mobil gebeten, an einem Ortstermin teilzunehmen, an dem der Standplatz des Myriametersteins festgelegt werden sollte.
Ich war vor dem Termin in Geisenheim, um den Stein mir nochmals anzuschauen. Dabei kam die Vermutung auf, dass es sich nicht um einen Originalstein handelt sondern um einen später gefertigten Ersatzstein. Zwei Gründe sprechen dafür: Er besitzt keinen Fuß, seine Unterseite ist rechtwinklig zu den Seiten gefertigt (= keine Bruchfläche) und er ist unbeschriftet. Das weist darauf hin, dass er möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt gesetzt worden ist, als die anderen Myriametersteine. Der schwarzen Kreis mit der weißen Innenfläche diente wohl dazu, den Stein von der Flussseite sichtbar zu machen. Die schwarze Farbe blättert ab. Es gibt auch eine schwarz-weiße Bemalung der Pyramidenspitze. Auffallend ist, dass die Unterseite keine Zementreste aufweist und dass drei Ankerlöcher ebenfalls zementfrei sind. Der Stein war offensichtlich noch nie einbetoniert. Auf jeden Fall ist der Lorcher Myriameterstein ein wichtiges und erhaltenswertes kulturhistorisches Objekt.
In der Tat ergab eine Recherche, dass der Stein im Denkmalverzeichnis des Landes Hessen verzeichnet ist. In DenkXweb (-->Rheingau-Taunus-Kreis --> Lorch --> B42) erkennt man auf dem Bild, dass der Stein offensichtlich locker auf einem Steinfundament saß, dass er auf einer Seite mit einem Graffito verunziert ist, dass er relativ dicht an der Straße stand und dass der Standort HessenMobil gehört. Im Text ist zu lesen, dass der Stein wahrscheinlich auf die Landseite der Straße versetzt wurde.
Obwohl grundsätzlich solche vorübergehend entnommenen Objekte wieder an den ursprünglichen Standplatz zurückkommen sollten, bestand bei den Teilnehmern der Besprechung Übereinstimmung, den Stein etwas weiter südlich am nördlichen Ende eines Parkplatzes "museal" aufzustellen. Damit kann er den Besuchern zugänglich gemacht werden, was bei dem ursprünglichen Standplatz nicht möglich ist. Dieser war zudem zu dicht an der Straße, der Stein hätte eh einige Meter vom Straßenrand versetzt werden müssen. Auch weil Myriametersteine keine offiziellen Markierungspunkte mehr sind, erscheint die Versetzung unter denkmalschützerischen Aspekten vertretbar zu sein. Das muss allerdings das Landesamt für Denkmalpflege entscheiden.
Die linksrheinischen Myriametersteine des Großherzogtums Hessen habe ich im September 2020 per Auto, Pedes, Fahrrad und Motorrad aufgesucht und beschrieben. Der Stein Nr. 27 am Rheinkilometer 437 steht gegenüber dem von Lampertheim in
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Der Stein Nr. 28 am Rheinkilometer 447 existiert nicht mehr. Am Rheinkilometerschild im Wormser Industriegebiet Nord (In der Hollerhecke) findet man nur einen Metallmarke mit "447,0".
Der nächste Myriameterstein (Nr. 29) ist der auf der Ibersheimer Wörth bei Worms-Ibersheim
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Der Rheinkilometerstein am Kilometerschild 477 besteht aus Beton und ist mit der Inschrift 477 auf der Stromseite versehen. Man findet ihn in der Nähe des Oppenheimer Flugplatzes.
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Am linksrheinischen Stromkilometer 497 auf dem Winterhafendamm von Mainz findet sich nur ein moderner, etwas lädierter Rheinkilometerstein aus Beton mit der entsprechenden Beschriftung unter dem Kilometerschild. Auf der Rheinkarte von 1880 ist direkt an der Fußgängerbrücke der Myriameterstein 33 eingezeichnet.
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Die Karte Rechts (genordet) ist eine Überlagerung der alten mit einer neuen OSM-Karte. Der heutige Standort des Steins ist mit einem roten Stern gekennzeichnet. Die nördliche Uferlinie der Rheins verlief auf dem Wiesbadener Wasserversickerungsgelände. Wenn der linksrheinische Myriameterstein 34 dort gestanden hatte (gelber Stern), ist er wahrscheinlich bei dem Bau der Anlage entsorgt worden. Wenn allerdings der Zeichner der alten Karte sich nicht geirrt hat (Standort roter Kreis), müsste der linksrheinische Stein in dem dichten Wald südlich des Fußballplatzes FSV Oberwalluf stehen. Ich werde gelegentlich nachschauen. Anmerkung 3/24: Wir waren in Niederwalluf und mussten feststellen, dass der potentielle Standplatz nicht zugänglich war.
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Bei Stromkilometer 527 müsste der letzte großherzogliche Myriameterstein stehen (Nr. 36). Das entsprechende Kilometerschild steht auf dem Damm des Binger Hafens. Dort steht ein etwas lädierter moderner Stein mit "527" auf der Nordseite. S. dazu bei einem Myriameterstein-Artikel von Reiner Letzner, der im Internet verfügbar ist.
Laut Wikipedia ist der nächste linksrheinische Myriameterstein Nr. 40 erst wieder bei Rheinkilometer 567,48 in Boppard-Bad Salzig zu finden. Die hessisch-preußische Grenze verlief bei Bingen in der Mitte der Nahe. Dort (bzw. in der Verlängerung bis zur Strommitte) war offensichtlich der Ausgangspunkt der preußischen Kilometrierung. Dieser Punkt befindet sich 520 Meter stromabwärts von Rheinkilometer 529. Dort wird mit Rheinkilometer 530 weitergezählt. Daher steht/stand der nächste Myriameterstein in Lorch nicht bei Rheinkilometer 537 sondern bei km 537,480.
Die Übersicht ergibt ein recht inhomogenes Bild der großherzoglichen Myriametersteine.
Nr./Rhein-km/Ort | Stromseite | Landseite | Seite stromaufwärts | Seite stromabwärts |
Hessen-rechtsrheinisch | ||||
27/437/Lampertheim | 437 | 440 Km von Konstanz | ||
28/447/Nordheim | 447 | 450 Km von Konstanz | ||
29/457/Groß-Rohrheim | 457 | 460 Km. von Konstanz | ||
31/477/Leeheim | 480 Km. [von Konstanz] | |||
32/487/Trebur | 320 | 320000 m von Basel | 48971 m von der LG | 14941 m bis zur LG |
Hessen-linksrheinisch | ||||
29/457/Worms-Ibersheim | 460 | 460 Km. von Konstanz | ||
30/467/Eich | 470 | [470 Km. von Konstanz] | ||
32/487/Nackenheim | 487 | 320000
M. von Basel. 505165 M. bis Rotterdam |
48600 m von der LG | 42133 m bis zur LG |
34/507/Budenheim | 340 | 340000 m von Basel | 68600 m von der LG | 22133 m bis zur LG |
35/517/Ingelheim | 350 | 350000 M. von Basel. | 78600 m von der LG | 12133 m bis zur LG |
Bayerisch-linksrheinisch | ||||
27/437/Bobenheim-Roxheim | (XXVII) 437 | 440 Km. von Konstanz | ||
Preußen-rechtsrheinisch | ||||
35/517/Oestrich-Winkel | XXXV | 350000
K.M. von Basel. 474450 M. bis Rotterdam |
15.227 K.M. von der LG | 306703 K.M. bis zur LG |
36/527/Rüdesheim | XXXVI. <-- |
360,000
K.M. von Basel. 464,450 K.M. bis Rotterdam |
25.227 K.M. von der LG | 326.703 K.M. bis zur LG |
37/537/Lorch | Weißer Kreis mit schwarzem Rand |
Fett = Ziffern in vertieftem Feld, LG = Landes Grenze
Alle großherzoglichen Myriametersteine bestehen aus rotem Sandstein, wahrscheinlich aus dem Neckartal. Die preußischen Steine in Oestrich-Winkel, Rüdesheim und Lorch bestehen aus gelbem Sandstein, Granit und rotem Sandstein. Die Wikipedia- Aussage, dass die Myriametersteine aus Ibbenbürer Sandstein gefertigt sind, stimmt nicht in dieser allgemeinen Form.
Es gibt demnach mehrere großherzoglich-hessische Myriameterstein-Variationen
- Sandstein mit Kilometernummer von B. nicht vertieft, Hinweis auf Basel und Landesgrenzen (Trebur, Budenheim)
- Sandstein mit Kilometernummer von B. vertieft, Hinweis auf Basel und Landesgrenzen (Ingelheim)
- Sandstein mit Kilometernummer von K. vertieft, Hinweis auf Basel und Rotterdam sowie Landesgrenzen (Nackenheim)
- Sandsteine mit Kilometernummer von K. vertieft, Hinweis auf Konstanz (Lampertheim, Nordheim, Groß-Rohrheim)
- Sandstein ohne Kilometernummer, Hinweis auf Konstanz (Leeheim)
- Sandsteine mit falscher Kilometernummer von K. nicht vertieft, Hinweis auf Konstanz (Ibersheim, Eich)
- Betonsteine mit Kilometernummer von K, nicht vertieft, nur Rheinkilometernummer (Biebesheim, Kostheim, Oppenheim, Mainz) B. = Basel, K. = Konstanz
Soweit die Beschreibung der Hessischen Myriametersteine. Diskutieren wir im Folgenden einige offenen Fragen und Inkonsistenzen. Der Literatur ist zu entnehmen, dass die Myriametersteine ab 1863 gesetzt worden sind. Ab 1883 führten die Rheinuferstaaten eigene Kilometrierungen ein, beginnend an der Landesgrenze mit Null. Ausnahme war Hessen, das die Kilometrierung weiterhin an der Baseler Rheinbrücke ausrichtete. Es ist anzunehmen, dass die vorhandenen historischen hessischen Myriametersteine eine Beschriftung wie die des Treburer Steins aufwiesen. Die Inschriften der hessischen Steine unterscheiden sich von denen der üblichen Myriametersteinen: Statt der Stein-Nummer in römischen Zahlen ist die Entfernung von Basel in arabischen Ziffern eingemeißelt. Die Höhenangabe in Bezug auf Rotterdam fehlt. Trotzdem ist anzunehmen, dass es sich um die Original-Myriametersteine handelt und nicht etwaige Ersatz-Steine aus 1883. Die Steine sind aus rotem Neckarsandstein gefertigt. Die Steine bei Lampertheim, Nordheim, Groß-Rohrheim, Ibersheim, Eich und Nackenheim wurden 1939 in verschiedener Weise umgearbeitet; die neue Kilometrierung wurde - vertieft - auf der Stromseite eingemeißelt, ebenso die Entfernung von Konstanz. Die Hinweise auf die Landesgrenzen wurden eliminiert.
Soweit ist alles verständlich. Kehren wir nochmals zum Myriameterstein bei Lampertheim bei Kilometer 437 zurück. Auf der Stromseite steht die Zahl 437 das bedeutet, dass es 437 km von besagter Rheinbrücke in Konstanz entfernt ist (die kurzen Kilometer außeracht lassend). Auf der Landseite steht jedoch, dass er 440 km von Konstanz entfernt sei. Wie ist die Differenz von 3 km zu erklären? Der Stein wurde 1939 umgearbeitet. Das bedeutet, dass die Differenz nichts mit einer Rheinbegradigung zu tun haben kann. Interessant in dem Zusammenhang ist ein Artikel in Wikipedia über die Rheinkilometrierung. Dort ist u.a. zu lesen: Auf der deutsch-schweizerischen Rheinstrecke zwischen Stein am Rhein und Basel (Hochrhein) misst die Zählung das deutsche Rheinufer ab. Dasselbe Prinzip findet auf der deutsch-französischen Rheinstrecke zwischen Basel und Lauterbourg Anwendung. Auf der übrigen Strecke zählt man die Länge der Strommittellinie. Ob die deutsche Uferlinie möglicherweise kürzer ist als die Linie in der Strommitte? Aber das kann nicht die Differenz von 3 km erklären.
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Eine Anmerkung zu badischen Rheinkilometersteinen sei an dieser Stelle noch erlaubt: Zwischen 1883 und 1891 wurden am badischen Rhein offensichtlich unabhängig von den Vereinbarungen der Rhein-Central-Commmission (Kilometrierung ab Rheinbrücke Basel) neue Kilometersteine gesetzt, und zwar rheinabwärts, beginnend an der badisch-schweizer Grenze bei Weil am Rhein. Sie wurden mit einer fortlaufenden Kilometernummer versehen. Der Oberrhein wurde ab dem Nullpunkt an der badisch-schweizer Grenze bei Weil am Rhein stromaufwärts kilometriert. -->Hier ist als Beispiel der Stein 132,5 bei Büsingen aufzurufen. Bei der Umstellung 1939 auf Konstanz als neuen Nullpunkt wurde bei Stein am Rhein ein kurzer Kilometer eingefügt, um mit der bestehenden Kilometrierung übereinstimmen zu können. Der alte badische Nullpunkt liegt seitdem bei Rheinkilometer 170. Folglich gibt es eine Differenz von 170 zwischen der aktuellen Rheinkilometrierung auf den Schildern (Zählung ab Konstanz) und der Beschriftung der alten badischen Kilometersteine (Zählung ab Grenze). S. dazu Wikipedia-Artikel zur Rheinkilometrierung. Als Beispiel für einen solchen badischen Kilometerstein ist -->hier eine Abbildung des Steines No 45 bei Hartheim vor dem Rheinkilometerschild 215 aufzurufen.
Rottensteine im hessischen Ried
Meinen ersten Kontakt zu Rottensteinen hatte ich 2013, als ich einen Rottenstein in Egelsbach beschrieb. Im Rahmen meiner Erkundungen im hessischen Ried suchte ich auf Basis der Informationen von Manfred Drobnik eine Reihe dieser Steine auf, fotografierte sie und dokumentierte ihre Standorte, die in den meisten Fällen nicht die Originalstandorte sein dürften. Die folgende Aufstellung ist natürlich nicht vollständig. Die beschriebenen Steine befinden sich alle auf dem Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Hessen. Dies ist ein allerdings nicht hinreichender Beleg, dass es sich um eine Hessische Spezialität handelt. Einem Zeitungsartikel (ohne weitere Quellenangabe, möglicherweise HStAD, G15, Gross-Gerau, Y101) ist jedoch zu entnehmen, dass nach den Hochwässern 1819, 1824 und 1825 die Dämme erhöht wurden und eine Verordnung erlassen wurde zur Regelung der Bewachung der Rheindämme bei hohem Wasser in den Provinzen Starkenburg und Rheinhessen. -->Hier geht es zu einem Übersichtsplan des Ried.Maim Deichverbandes von 1896
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




"I Dammwache der Gemeinde Lampertheim" (W), rechteckige Grundfläche.

In der Deichmeisterei in Biebesheim, Dammstraße 32, werden weitere Rottensteine aufbewahrt:
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
Nachtrag: Der Stein wurde im April 2022 restauriert und im Hof des Biebesheimer Heimatmuseums aufgestellt
--> Zeitungsartikel
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Auf der linken Rheinseite gibt es ebenfalls Rottensteine. Manfred Drobnik hat einige von ihnen aufgespürt:


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

Wenn man die Steine mit zwei Ortsbezeichnungen zwischen Gustavsburg und Leeheim betrachtet, die am Hauptdamm stehen (also ohne die landeinwärts stehenden Steine Astheim 2 und Trebur 2), dann erhält man eine schöne Reihung. Daraus folgt, dass bis auf einen Rottenstein bei Ginsheim - Gustavsburg (s.u.), dort noch alle Rottensteine vorhanden sind. Südlich von Erfelden wird es etwas komplexer, da von Rottenbezirke die Rede ist.
ORTSBESCHRIFTUNG |
STEINBEZEICHNUNG |
Rüsselsheim - Bischofsheim | Rüsselsheim |
Bischofsheim - Gustavsburg | Bischofsheim |
Gustavsburg - Ginsheim | Gustavsburg = nicht aufgefunden |
Ginsheim – Bauschheim | Ginsheim |
Bauschheim – Astheim I | Bauschheim |
Astheim I – Trebur | Astheim 1 |
Trebur – Hessenaue | Trebur 1 |
Hessenaue – Geinsheim | Hessenaue |
Geinsheim – Leeheim II | Geinsheim (=Deichmeisterei Biebesheim) |
Leeheim II – Leeheim I | Leeheim |
Leeheim – Erfelden | Erfelden |
Anmerkung 11/2021: Dieser Artikel wurde im September 2020 verfasst. Im November 2021 machte mich Herr Peter Schneider aus Bischofsheim auf einen weiteren Rottenstein auf dem Maindamm zwischen Bischofsheim und Rüsselsheim direkt an der Gemarkungsgrenze aufmerksam. Ich ergänzte die Tabelle um den ersten Eintrag und änderte "Gustavsburg" in "Bischofsheim", um in der Logik der Benennung zu bleiben. Sieht man sich die Reihenfolge der Steine an, dann fehlt eigentlich ein Stein an der Grenze von Gustavsburg und Ginsheim (rot markiert). Gründelt man etwas tiefer, dann erfährt man, dass es keine eigenständige Gustavsburger Gemarkung gab. Wir sind den Rheindamm von Ginsheim bis zum Zugang zur Rheininsel Bleiau abgegangen und keinen entsprechenden Stein (Gustavsburg - Ginsheim) gefunden. Trotzdem müsste es diesen Stein gegeben haben, andernfalls wäre der westliche Stein am Maindamm (oben mit "Bischofsheim" bezeichnet) nicht mit "Gustavsburg", sondern mit "Ginsheim" beschriftet. Der fehlende Stein wird wahrscheinlich beim Bau des Hafens und des Tanklagers verlorengegangen sein.
Polygonsteine im Hessischen Ried


Manfred Drobnik hat sich sehr intensiv mit diesen Polygonsteinen beschäftigt: die Steine mit drei Ziffern stehen am Rheinufer, die mit geraden Zahlen auf der rechten und die mit den ungraden Zahlen auf der linken Rheinseite. Sie stehen in der Regel alle 200 Meter abwechselnd auf beiden Rheinseiten, also alle 400 Meter auf der gleichen Rheinseite. Die Zählung beginnt mit 1 an der badisch-Hessischen Grenze. Ein Stein mit der Nummer 1 stand/steht nach Lit. Schmitt ca. 43 m nördlich des Myriametersteins Nr. 27 bei dem Hofgut Petersau (s. Abb. aus Lit Schmitt). Dieser Stein konnte von Manfred Drobnik am Rheinuferweg nicht gefunden werden, wohl aber zwei Steine mit den Nummern 3 und 7. Die Steine mit den 3-stelligen Nummern besitzen ein Zentrierloch auf dem Kopf, das häufig nicht deutlich sichtbar ist. Der Stein mit der höchsten Zahl, den wir gefunden hatten war der mit der Nummer 407 bei Ingelheim. Bis zur Landesgrenze an der Nahemündung sind es rund 10500 Meter. Ungefähr dort müsste der Stein mit der Nummer 420 gestanden haben. Die Steine mit vier Ziffern (mit 1 an erster Stelle) stehen auf den Dämmen. Sie besitzen kein Zentrierloch und die eingeschlagenen Nummern sind unabhängig von der Rheinseite an der sie stehen, geradzahlig - bis auf eine Ausnahme (1093, Sommerdamm Ibersheim). Eine gleichmäßige Abfolge der Nummern ist nicht zu erkennen. Manfred Drobnik hat bis Ende 2020 insgesamt 40 diese Polygonsteine gefunden.
Weitere Kennzeichnungen am Rheinufer (Profilsteine?)
Soweit die Beschreibung. Mir ist nicht bekannt, ob diese Punkte jemals abmarkiert waren. Die Nummerierung der Polygonsteine ist unterschiedlich. Diese dürften mit diesen Punkten nichts zu tun haben.
Fronsteine an der Weschnitz
Vier interessante Steine stehen am Weschnitzwehr in der Nähe von Lorsch (-->Standort). Es handelt sich um Frondienst-Abschnittsteine an der Weschnitz, die um 1780 gesetzt wurden. Auf der Infotafel ist folgendes zu lesen:


Zwölf dieser Steine standen am so genannten oberen Abschnitt (von Biblis-Kleinhäuser Grenze Bach aufwärts bis zum Zusammenfluss der alten und der neuen Weschnitz bei Lorsch) unverrückbar auf dem Damm eingegraben. Auf den Distriktsteinen wurde der Name der Gemeinden eingehauen und somit der jeweilige Arbeitsabschnitt festgelegt. Nach 1803 verloren diese Steine ihre Bedeutung. Man entfernte sie vom Weschnitzdamm. Beim Ausheben des neuen Landgrabenbettes kamen im August 1971 vier ehemalige Abschnittssteine zum Vorschein. Sie waren offensichtlich zur Verfüllung verwendet worden. Im Jahr 1980 wurden die Steine im Rahmen des Heimatkundlichen Lehrpfades hier aufgestellt. Als seltene Flurdenkmäler sollen sie der Nachwelt erhalten bleiben und erinnern, wie hart unsere Vorfahren mit der unbändigen Weschnitz gerungen haben.
Vermessungssteine bei Gernsheim



Für eine Triangulation benötigt man Winkel und Entfernungen. In dieser Basismessung bei Gernsheim wurde die Entfernung zwischen zwei ca. 5 km voneinander entfernten Eichpunkten genau vermessen. Somit konnte ein Dreieck zum Melibokus und zu anderen Messpunkten genau bestimmt werden. Die Eichpunkte bei Gernsheim sind in Form von unterirdischen Betonwürfeln markiert. Die beiden äußeren Gedenksteine liegen in nördlicher und südlicher Verlängerung der Basislinie an zugänglicheren Orten; die Lage des mittleren Steins an der Kapelle entspricht der eines historischen Zwischensteins. Die erste Basismessung fand 1808 zwischen dem Turm der Darmstädter Stadtkirche und dem Kirchturm in Griesheim statt (Lit. Heckmann und Will). Im Friedensplatz in Darmstadt war eine runde Bronzeplakette eingelassen, die an die erste Basismessung erinnern soll. Diese Plakette wurde 2019 vor der Umgestaltung des Friedensplatzes vorsorglich entfernt und wurde bisher noch nicht wieder eingesetzt.
Auf der Infotafel am südlichen Gedenkstein bei Groß-Rohrheim ist folgendes zu lesen:
Historische Landesvermessung Die Basis bei Gernsheim von 1908 Unsere Erdoberfläche wurde schon lange vor der Verfügbarkeit von satellitengestützten Verfahren vermessen. Seit dem frühen 17. Jahrhundert wendete man dazu die sog. Triangulation an. Dabei wurde die Landschaft mit Dreiecksnetzen überzogen, deren Winkel man mit Theodoliten ausmaß. Die ermittelte Lage der Dreieckspunkte bildete die geodätische Grundlage für die Erstellung von Landkarten. Kennt man in einem Dreiecksnetz die Länge einer Dreiecksseite (der „Basis"), dann lassen sich auch die Längen aller anderen Dreiecksseiten mit trigonometrischen Formeln (Sinussatz) berechnen. Die genaue Bestimmung einer Basis ist jedoch kompliziert. In Hessen sind lediglich zwei Basismessungen durchgeführt worden. Die erste erfolgte 1808 zwischen Darmstadt und Griesheim. Diese Basis war rund 7.750 m lang und legte den Maßstab der „Alten Triangulation" des Großherzogtums Hessen fest. Die zweite Basis wurde 100 Jahre
später unter der Leitung
des Wasserbaugeometers Karl Blaß gemessen. Sie verlief
östlich von Gernsheim
etwa in Nord-Süd-Richtung. Ihre Länge wurde mit drei
exakt geeichten
Metalldrähten zu 4.952,135 m bestimmt Die Vermarkung des
Anfangspunkts „Basis
Nord“, des Endpunkts „Basis Süd“
sowie der vier Zwischenpunkte erfolgte
unterirdisch mit Betonwürfeln, die bis heute erhalten
geblieben sind. Die Gernsheimer Basis wurde durch
Winkelmessungen mit den
Punkten „Melibocus“ und „Eich“
der „Neuen Hessischen Triangulation“ verbunden,
sodass sich die Länge dieser fast 17 km langen Strecke
unabhängig kontrollieren
ließ. Die Abweichung betrug 0,141 m (weniger als 1 cm pro
km), was innerhalb
des Unsicherheitsbereiches der damaligen Bestimmung lag. Zum 100-jährigen Bestehen wurde
die Basis durch das
Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation neu
vermessen.
Danach war die 1908 ermittelte Länge nur 31 mm zu kurz
gewesen. Die Basismessung bei Gernsheim war eine
bemerkenswerte
geodätische Präzisionsarbeit. Zur Erinnerung wurde der Streckenverlauf an drei Stellen (Exzentrum Basis Nord, Zwischenpunkt 4 und Exzentrum Basis Süd) durch Granitpfeiler mit Metallbolzen örtlich sichtbar gemacht. Zwischenpunkt 4 befindet sich 3.304,168 m vom alten Anfangspunkt „Basis Nord“ und 1.647,998 m vom alten Endpunkt „Basis Süd“ entfernt. |
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