Steine in der Dreieich
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Kein Abriss der Kirchhofsmauer in Heusenstamm !


Als relativ erfolgloser und frustrierter Streiter für den Erhalt der Sprendlinger Altstadt erlaube ich mir, meine Meinung zu einem Bauprojekt in unserer schönen Nachbarstadt der Internet-Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Sprendlingen und Heusenstamm verbindet die Geschichte: um 1250 gehörte Sprendlingen zum Herrschaftsgebiet der Herren von Heusenstamm. Die gemeinsame Gemarkungsgrenze ist 1786 Meter lang. Und nicht zu vergessen: Eichenblätter und drei Eicheln zieren das Wappen der Stadt Heusenstamm. Der Bezug zu dieser Website: Es geht um eine steinerne Kirchhofsmauer in der erweiterten Landschaft Dreieich. Soweit der Vorrede.
 
KirchplatzNeben dem Umfeld des Schlosses besitzt der Platz vor der Stadtkirche St. Cäcilia die dichteste historische Atmosphäre in Heusenstamm. Im Westen die schön gegliederte, symmetrische Fassade der Balthasar-Neumann-Kirche mit den beiden Eingängen zum Kirchgarten, im Süden der imposante Torbau, im Osten das rustikale Fachwerk des ehemaligen Gasthauses zum Goldenen Löwen und im Norden die 1744 erbaute Alte  Schule. Die Symmetrie der Kirchenfassade wird widergespiegelt in der rezenten Gestaltung des Vorplatzes. Ein wunderbarer Ort.
 
Die Symmetrie dieser Anlage könnte nach Zeitungsberichten bald irreversibel gestört werden durch die “Versetzung” (= Teilabriss und Wiederaufbau) der nördlichen Kirchhofsmauer um  86 cm. Der geschichtsinteressierte Beobachter staunt darob und beginnt zu recherchieren. Die Geschichte ist den Artikeln der OP-online zu entnehmen, die weiter unten abrufbar sind.
 
PfarrheimIn den 1970er Jahren wurde nördlich der Stadtkirche das Pfarrheim neu erbaut. Der Architekt hat sich Mühe gegeben, kleinteilig und strukturiert (mit mehreren Giebeln) zu bauen, um der Barockkirche den Vortritt zu lassen. Insbesondere durch die Materialauswahl überzeugt das Ensemble nicht wirklich. Seit 2010 wird das Pfarrheim nicht mehr genutzt. Die Bausubstanz war marode, die Anlage zu groß und demnach die Energiekosten zu hoch. Es lag nahe, ein kleineres Pfarrheim zu bauen, das durch Verkauf/Vermietung von Wohnungen finanziert werden sollte. Man schrieb daraufhin einen Architektenwettbewerb aus. Der Siegerentwurf umfasste 15 Wohnungen und einen Betonklotz als neues Pfarrheim. Es ist nicht nachzuvollziehen, was die Entscheider dazu gebracht hat, in unmittelbarer Nähe der Barockkirche einen Kubus hinzustellen, der meiner Meinung nach absolut inkompatibel ist mit der umliegenden Bebauung der Altstadt. -->Projektbeschreibung des Architekturbüros. Falls diese Bausünde wirklich realisiert werden sollte, dann würde man sicherlich in absehbarer Zeit über einen Abriss nachsinnen. Ich erinnere an das Technische Rathaus oder an das Betonmonster des Historischen Museums in Frankfurt. Apropos Frankfurt: Man baut dort z.Z. die Altstadt sehr behutsam, kleinteilig und spitzgieblig wieder auf.

MauerUnabhängig von der ästhetischen Bewertung dieses Ungetüms zeigten sich bald zwei Probleme: Die geplante Anzahl der Wohnungen ließ sich nicht realisieren (was die Finanzierung erschütterte), und die vorgesehene Zufahrt zum Gelände über die Kirchstraße scheiterte am Einspruch eines dazu berechtigten Nachbarn. Das Projekt wurde vorläufig auf Eis gelegt. Leider trog die Hoffnung auf die endgültige Einstellung. Man kam nun auf die Idee, das Gelände über den Kirchplatz zu erschließen. Das Problem dabei ist, dass die engste Stelle zwischen der Kirchhofsmauer und der Alten Schule 2,62 m beträgt (falls das Abfallrohr der Alten Schule in das Mauerinnere verlegt wird, gewinnt man ca. 10 cm). Wenn man mit 40-Tonner-Lastwagen den Abriss bewerkstelligen wollte, müssten die Fahrer die Seitenspiegel umlegen (die Breite eines  großen Lastwagens beträgt 2,55 m). Es wird auf jeden Fall eng, oder man setzt schmalere Baufahrzeuge ein. Es heißt, dass die Feuerwehr auf einer ungehinderten Zufahrt besteht. Dabei fragt sich der nicht sachverständige Zuschauer, ob die Feuerwehr nicht vom Kirchplatz mit Schläuchen eingreifen kann oder ob die eigentlich geplante Zufahrt von der Kirchstraße im Notfall genutzt werden kann.

Wie dem auch sei, die Entscheidungsträger kamen auf die abwegige Idee, die historische Kirchhofsmauer auf 15 m abzureißen und schräg versetzt wieder aufzubauen, so dass die Zufahrt am Kirchplatz um 86 cm breiter werden würde. Die 40-Tonner könnten das Gelände erreichen, ohne die Seitenspiegel einzuklappen. Es ist m. E. ein Skandal. dass das Landesamt für Denkmalpflege (sic!) dem Abriss und dem scheppen Wiederaufbau "aus sicherheitstechnischen Gründen" zugestimmt hat. Eine weitere Fehlentscheidung des Landesamtes (wie z.B. das Verputzen des Schlosses Wolfsgarten)!
Vergleich
Die Fassade der Kirche ist symmetrisch aufgebaut, ebenso die Mauern mit den Kirchhofseingängen links und rechts der Kirche. Jedes der vier seitlichen Mauerelemente ist ca. 191 cm breit. Durch die Verschwenkung der Mauer würde die Breite des rechten äußeren Elements um die Hälfte verkürzt werden. Ein wesentliches Charakteristikum der Anlage, die Symmetrie des Gesamtkunstwerkes St. Cäcilia, wäre irreversibel zerstört. Balthasar Neumann würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dies wüsste, insbesondere weil diese "Verschwenkung" wegen jenes unsäglichen Betonklotzes in der Altstadt erfolgen soll.

Auch wenn es bloß um einen "Plan B" geht: Hier sind bürgerlicher Ungehorsam und Widerstand gefragt. Manche bereits genehmigten fragwürdigen Baumaßnahmen konnten durch das Engagement heimatliebender Bürger verhindert werden. Die beste Lösung für Heusenstamm wäre: Stampft das Betonklotz-Projekt ein, steckt das Geld in die Bestandssanierung, und lasst die Finger von der Kirchhofsmauer!

P.S. Die Ausdrücke "Betonklotz", "Bausünde", "Skandal", "Ungetüm", "inkompatibel", "unsäglich" usw. sind wertende Meinungsäußerungen meinerseits.

Anmerkung 8/2017:
In der OP-Online vom 21.08.2017 ist zu lesen, dass die Versetzung der Mauer vom Tisch sei. Na also!
Anmerkung 9/2018
Nicht nur die Versetzung der Mauer ist vom Tisch, sondern das ganze Projekt. Und das ist gut so! Stattdessen ist ein kleinteiliges Familienzentrum mit ortsüblichen Dächern geplant.


Dokumentation aus der OP-online zum Thema:
27.08.13
www.op-online.de/region/heusenstamm/pfarrheim-plaene-caecilia-heusenstamm
27.05.2013
www.op-online.de/region/heusenstamm/gespraeche-ueber-pfarrheim-heusenstamm

17.12.15
www.op-online.de/region/heusenstamm/neubau-planung-pfarrheim-caecilia-ruht-derzeit
09.07.2016
www.op-online.de/region/heusenstamm/gemeinde-haelt-plaenen-caecilia-heusenstamm-fest
13.05.2017
www.op-online.de/region/heusenstamm/mauerumbau-genehmigt-kirchhof-umfriedung-versetzt
10.06.2017
www.op-online.de/region/heusenstamm/verwaltungsrat-St.-Cäcilia stellt-pfarrheim-neubau vor
16.06.2017
www.op-online.de/region/heusenstamm/pfarrheim-caecilia-heusenstamm-schliessung-zuvorgekommen
21.08.2017
https://www.op-online.de/region/heusenstamm/wenig-resonanz-runden-tisch-pfarrgemeinderats-caecilia
12.09.2018
https://www.op-online.de/region/heusenstamm/stadtraeume-heusenstamm-besser-vernetzen
Und wen es interessiert:
--> Hier ist mein Bericht über die Heusenstammer Epitaphe
--> Hier ist mein Bericht über den Streit zwischen Heusenstamm und Offenbach über die Gemarkung Wildhof
--> Hier ist mein Bericht über den Heusenstammer Kilometerstein