Der Grafenwald bei Hausen


Der
links abgebildete Stein steht im Lapidarium der Hayner Burg. Er wurde
1979 von Imkermeister Georg Olschewski westlich der
Tannenmühle
herausliegend gefunden und von der Stadtverwaltung Rodgau geborgen. In
Lit. Ulrich aus dem Jahr 1980 wird beschrieben, dass "in
Vereinbarung mit der Gemeinde
Rodgau dieser Stein zunächst einen Platz
am Dreieich-Museum
findet, bis er später einmal an geeigneter Stelle
innerhalb
einer öffentlichen Einrichtung in der Region Rodgau
aufgestellt
wird". Der Stein trägt das Deutschordenskreuz, "C F"
(für Commende Frankfurt) und die Jahreszahl "1730". Die
Beschriftung der Rückseite ist nicht eindeutig zu
identifizieren. Eindeutig zu erkennen sind eine 2 und eine 4, das
mittlere Zeichen könnte eine 9 sein oder auch nur eine
Scharte.
Die Vorderseite des Steines ist identisch mit den Steinen, die bei
Gravenbruch die Grenze des Deutschherrenwaldes der Commende Frankfurt
des Deutschen Ordens (Wildhof) markieren. Folglich musste der Deutsche
Orden an der Tannenmühle
(Weißkirchen/ Obertshausen/ Hausen) Besitztümer
gehabt haben.

Da dieses Gebiet außerhalb
der Dreieich liegt, hatte ich nur
bedingtes Interesse an dem Stein und dessen Historie. Dies
änderte
sich, als ich per Zufall erfuhr, dass im Schuppen des Obertshausener
Heimatmuseums ein weiterer Stein der Serie gelagert wurde.
Zwischenzeitlich (4/2016) ist dieser Stein sehr schön im Hof
des
Museums aufgestellt worden (Abb. rechts). Die Vorsitzende des dortigen
Heimatvereins,
Frau Matthes, schickte
mir einen Zeitungsartikel aus dem
Jahr 1983, nach
dem dieser Stein bei der Errichtung der Rodaubrücke (B 448) im
Bachlauf gefunden wurde, in den ihn Jugendliche hineingerollt
hätten. In dem Artikel stand ebenfalls, dass im Rahmen der
Flurbereinigung im Jahr 1963 zwei Steine von dem
Landwirt

Georg
Rudolph gesichert worden seien. Ich machte
daraufhin den Sohn des Landwirts ausfindig. Er bestätigte den
Fund
und zeigte mir den Stein, den sein Vater unweit
seines Anwesens
(Birkenwaldstraße) gefunden hat. Der Stein steht als
Torpfosten
an einem Teich im Garten (Abb. links). Die Vorderseite ist identisch
mit der des
Steins im Museumshof.
Auf
der Rückseite
ist ein Kreuz eingemeißelt, darunter "1963" und "Rudolph".
Ich
erfuhr, dass sein Bruder einen weiteren Stein der Serie besitzt, der
allerdings in eine Wand eingemauert ist. Ein Besuch bei diesem Bruder
in der Lämmerspieler Straße bestätigte die
Existenz des
Steins; allerdings konnte ich noch keine Fotos von ihm machen, was ich
sicherlich bald nachholen werde. Dieser Stein soll an der
Weiskirchener Gemarkungsgrenze nahe der Tannenmühle gefunden
worden sein.

Im
Hessichen Staatsarchiv fand ich eine Karte des
Grafen-Waldes von
1732, aus dessen Beschreibung hervorgeht, dass es sich dabei um Besitz
des Deutschen Ordens bei Weiskirchen und Hausen handelt. Normalerweise
sind historische Grenzen sehr häufig auf modernen Flurkarten
nachzuvollziehen; in diesem Fall war durch die Flurbereinigung und die
Verlegung der Rodau die alte Flurstruktur nicht mehr erkennbar. Erst
mit Hilfe der
Buxbaum-Flurkarte
und Kristof Doffing gelang es, die historische Karte über eine
moderne OSM-Karte zu legen, die
-->hier
aufzurufen ist. Die Grenzpunkte auf der Karte von 1732 sind von 1 - 65
nummeriert, allerdings sind einige dieser Grenzpunkte mit einem Punkt
(ca. 37), andere mit einem Grenzsteinsymbol (ca. 28) gekennzeichnet.
Wenn man annimmt, dass die aufgefundenen Steine auf mit
Grenzsteinsymbolen gekennzeichneten Grenzpunkten standen, dann ist
folgende Zuordnung wahrscheinlich: Stein Dreieich-Museum: Nr.
23;
Stein im Obertshausener Museum: Nr. 25; Stein in der
Lämmerspieler Straße: Nr. 27; Stein in der
Birkenwaldstraße: Nr. 35. Ich versuchte vergeblich in dem
Waldgebiet
nördlich der B 448 Grenzsteine in situ zu finden. Dies
scheiterte
auch an dem dortigen dichten Bodenbewuchs.
Auf der von Geometer Klein im Jahr 1732 gefertigte Karte ist in dem
Kasten links oben folgendes zu lesen:
Geometrischer Grundriß
- über -
den dem Hohen
Teutschen Ritter Orden zugehörigen
sogenannten
Gräffenwald, zwischen dem
Cur Mayntzischem
Dorf Weiskirchen und Haußen
Hochgräfl.
Schönbornsch. Herrschaft. Wie solcher
in seinem Bezirk
renovirt und an seinen ge-
hörigen
Steine erfrischt, auch hierbei zu ordentl.
Heeg in 25
Häupe gelaaget worden in.
dd: 1732 und
hernach - Dat: 1732, den 20. Aug.
Klein. Geom.
Ich war natürlich recht stolz auf diese Rechercheergebnisse,
allerdings nicht sehr lange. Bei einem Besuch bei Frau Gesine Weber bei
der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach
entdeckte
ich in dem "Deutschherren-Ordner" die Kopie eines
maschinengeschriebenen Artikels von Heinrich Kahl:
Der Gräfenwald
- eine Schenkung an den Deutschen Orden",
der in der Reihe "Unsere Stadt - Beiträge zur Geschichte und
Kultur von Hausen und Obertshausen" erschienen ist (ohne Jahresangabe,
jedoch nach 1983).
Dort wurde die Geschichte des Grafenwaldes ausführlich
dargestellt, inklusive eines Kapitels über die gefundenen
Grenzsteine. Da im Internet kaum Informationen über den
Grafenwald
bei Hausen finden kann, sei hier der Inhalt der Publikation in Teilen
kurz
referiert.

Der
Deutsche
Orden hat seine Ursprünge in den
Kreuzzügen, die
das Heilige Land von den islamischen Eroberern befreien sollten. Es
bildeten sich Ritterorden, die Spitäler bauten, um
die
Kranken und Verwundeten zu pflegen und für den Waffendienst
bereit
zu sein. 1199 wurde der Deutsche Orden durch Pabst Innozenz III.
bestätigt. Der Orden weitete seine Aktivitäten
über
weite Gebiete aus; an der Ostsee wurde ein großes Territorium
erobert (Danzig, Marienburg). Der Besitz gliederte sich in
zwölf
Balleien, die wiederum in Komtureien (oder Commenden) eingeteilt waren.
Die bedeutenste Komturei in der Ballei Franken war die
Commende
Frankfurt,
die ihren Sitz später im Deutschordenshaus in
Frankfurt-Sachsenhausen hatte. Ulrich von Münzenberg stiftete
1193
ein Hospital, das 1221 an den Deutschen Orden übertragen
wurde.
Viele Stiftungen und Schenkungen vergrößerten den
Grundbesitz
und damit verbunden die finanzielle Ausstattung des Ordens.
Anmerkung
WO:
Der Deutsche Orden war reichsunmittelbar, d.h. er unterstand nur dem
Kaiser und nicht einem der vielen Landesherren. 1803 kam es unter
Napoleons Einfluss (Rheinbundakte) zur
Mediatisierung.
Viele der kleineren reichsunmittelbaren Herrschaften wurden
benachbarten Territorien zugeordnet, im Falle des Grafenwaldes und des
Wildhofs des Deutschen Ordens war dies das damals neugründete
Fürstentum Isenburg. Die formalen Besitzverhältnisse
blieben
davon unberührt. 1809 wurde auf Befehl Napoleons der Deutsche
Orden aufgelöst. Der Grafenwaldes und der Wildhofs
wurden dem
Fürstentum Isenburg übereignet. 1811 wurde das
Gelände
des Grafenwaldes an die Obertshausener Bürger verkauft. Das
weitere wechselvolle
Schicksal des Deutschen Ordens ist
-->hier
(Deutscher Orden) oder
-->
hier (Wikipedia) nachzulesen.
Zurück nach Hausen: im Jahr 1328 verleiht Philipp von
Falkenstein-Münzenberg und seine Tochter Bertha dem "Teutschen
Hause" zu Sachsenhausen den "Gräfenwald" bei Obertshausen. Der
Name Gräfenwald oder Grafenwald stammt wahrscheinlich vom
Rheingrafen Philipp, der in einer Urkunde aus dem Jahr 1343 auf
den Gräfenwald zugunsten des "Teutschordenshauses"
verzichtete. Der Grafenwald war der größte
Grundbesitz
des
Deutschen Ordens in Hausen. Nach der Auflösung des Ordens
verkaufte 1811 die Amtsdirektion Ysenburg-Schönborn den
Grafenwald
und die Deutschherrenwiesen mit 252 Morgen zu je 50 Gulden an 26
Hausener Bürger.
Anzumerken ist noch, dass die oben erwähnten Grenzsteine
ca. 100 cm hoch sind. Die Breite beträgt 28 cm, die Tiefe 21
cm.
Unter einem der Steine fand man vier "Zeugen". Es handelte
sich
dabei um mit einem Kreuz versehene Tonscheiben
(Duchmesser ca. 6 cm) die leider nicht mehr auffindbar sind.
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