Steine in der Dreieich
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Die Grenze Frankfurt - Herzogtum Nassau

   Die Nordgrenze des Frankfurter Stadtwaldes zum Schwanheimer Gemeindewald                           Februar 2020 

Einleitung

Der Stadtwald von Frankfurt war Teil des Wildbann Dreieichs. Durch Kauf kam er 1372 in den Besitz der Stadt Frankfurt. Im 16. Jh. grenzte er im Osten, Süden und Westen an das Territorium der Falkensteiner und später an das der Ysenburger.  Der Waldrand im Norden zwischen Offenbach (Grenzbrücke) und dem Oberforsthaus folgt wegen umfangreicher Rodungen nicht mehr den ursprünglichen Grenzen mit Ausnahme an der Oberräder Landwehr. Oberrad war seit 1484 Landgemeinde von Frankfurt. Sie wurde in dieser Zeit mit der Oberräder Landwehr in das Frankfurter Verteidigungssystem einbezogen. Am Oberforsthaus stieß die Waldgrenze an das Gebiet von Schwanheim, das damals zum Kurfürstentum Mainz gehörte. Die Grenze zwischen Schwanheim und Frankfurt verlief Richtung Westen bis zum Hinkelstein, wo sie das Gebiet von Kelsterbach (= ysenburgisch) erreichte. Nach 1600 änderte sich die Landkarte: das Amt Langen/Kelsterbach fiel an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, so dass der Stadtwald von der Gehspitz bis zum Hinkelstein an Hessen-Darmstadt grenzte. Genauer gesagt: Von der Gehspitz zum Vierherrenstein an den Domanialwald Mitteldick und vom Vierherrenstein bis zum Hinkelstein an den Kelsterbacher Gemeindewald. Sehr gut erkennt man das an der Karte von Philipp Friedrich Vogel aus dem Institut für Stadtgeschichte (Signatur: S8-1/381). 
Vogel-Karte
Der Hinkelstein war ein Menhir, der Anfang des 19. Jh. zerschlagen worden sein soll, um Grenzsteine für den dortigen Wald herzustellen. Diese Aussage ist falsch, denn in einem Grenzbegehungsprotokoll von 1765 steht geschrieben "der  sogenannte Hinckelstein ist klein, ohneckigt, unförmlich und liegt in der Erde ohnbezeichnet". Das Wasserwerk Hinkelstein (Abbildung) und das Forsthaus Hinkelstein haben seine Bezeichnung von diesem Stein. Anmerkung: der Vierherrenstein, der Rote Stein an der Gehspitz und der Sensenstein sind ebenfalls nicht mehr vorhanden. In der Brücke über dem Grenzgraben (Rödergraben) an der Straßenbahnendhaltestelle Stadtgrenze ist ein Grenzstein eingelassen. Philipp Friedrich Vogel hat in seiner Karte auch nummerierte Grenzpunkte eingetragen. Stein Nr. 1 ist der am "Rödersteglein". In Lit. Bingemer ist zu lesen, dass der Sensenstein auf dem Grenzpunkt 74 steht, der  Lieferstein auf der Nr. 130, der Vierherrenstein auf der Nr. 150 und der Hinkelstein auf Nr. 201. Interessant ist, dass bei der Vogel-Karte nicht einfach weitergezählt wird, sondern beim Hinkelstein wieder mit 1 begonnen wird. Auf den Grenzsteinen wird jedoch durchgezählt (z.B. 228). Der letzte Grenzpunkt Nr. 93 (= 293) befindet sich am Oberforsthaus.

Zurück zur Geschichte: Das Herzogtum Nassau bestand zwischen 1806 und 1866. Im Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde das ehemals kurmainzische säkularisierte Gebiet um Höchst inklusive Schwanheim dem Fürstentum Nassau-Usingen zugesprochen. Im Zuge der Gründung des Rheinbundes kam 1806 es zu einer Vereinigung mit dem Fürstentum Nassau-Weilburg zum Herzogtum Nassau. 1866 wurde das Herzogtum Nassau ebenso wie die Freie Reichsstadt Frankfurt von Preußen annektiert. Danach war diese Linie nur noch eine Gemarkungsgrenze zwischen Frankfurt und Schwanheim. Diese Gemeinde wurde 1928 nach Frankfurt eingemeindet wurde. Heute ist sie die Grenze zwischen den Stadtteilen Sachsenhausen und Schwanheim. Oberrad wurde 1900  eingemeindet.

Die Grenze zwischen Frankfurt und Offenbach wird im Kapitel F-OF beschrieben, die Südgrenze im Kapitel F-GH. Zwischen dem Vierherrenstein und dem Hinkelstein, der ehemaligen Grenze zwischen Frankfurt und Kelsterbach,  gibt es nur noch wenige Grenzsteine. Durch den Bau des Flughafens, Autobahnen und S-Bahnen, auch durch Änderungen an den Gemarkungsgrenzen im Rahmen der Gebietsreform sind viele Steine verloren gegangen. Die vier Grenzsteine zwischen dem Vierherrenstein und dem Flughafen (bzw. Autobahn) sind im Kapitel F-GH dargestellt, die beiden westlich des Flughafens weiter unten.

Die Grenzline östlich der A5

Ich hatte mich 2019 bereiterklärt, bei der Erstellung und Ergänzung des Kulturlandschaftskatasters Rhein-Main des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain mitzuarbeiten und die Bilder und Texte meiner Website dafür zur Verfügung zu stellen. Beim Betrachten der dort eingestellten Standorte von Grenzsteinen fiel mir auf, dass die Grenze zwischen Frankfurt und dem ehemaligen Herzogtum Nassau östlich der Autobahn A5 nur unvollständig dargestellt war. Ich hatte großen Spaß bei schönem Januar-Wetter die noch nicht dargestellten Grenzsteine zu suchen und zu dokumentieren. Dabei hatte ich die Gelegenheit, das wunderschöne Gelände des Frankfurter Golfclubs betreten zu dürfen, an dessen Südseite 7 der gefundenen Steine stehen. Im Februar 2020 suchte ich die Grenzsteine westlich der Autobahn A5 auf.

Wir können vier Typen von Steinen auf dieser Grenzlinie differenzieren:

Typ 1images/F-HN/Typ%201.JPGTyp 2Typ 3Typ 4










Typ 1: Nur grob behauene Steine mit einer fortlaufenden Nummer auf der Nordseite. Nur bei einem von 20 Steinen dieses Typs findet man ein "F" auf der gegenüberliegenden Seite.
Typ 2: Die drei Steine dieses Typs sind sauber gearbeitet, haben einen rundgewölbten Kopf und tragen eine Nummer auf der Nordseite. Die Gegenseite ist unbeschriftet.
Typ 3: Die Nordseite ist mit einem "S" und einer Nummer beschriftet, die Südseite mit einem "F" (7 Steine)
Typ 4: Die Nordseite ist mit einem "HN" und einer Nummer, die Südseite mit einem "SF" und einer anderen Nummer beschriftet. (8 Steine).
"F" = Frankfurt, "SF" = Stadt Frankfurt, "S" = Schwanheim, "HN" = Herzogtum Nassau. Die Vogelsche Nummerierung beginnt an der Grenzbrücke mit 1 und endet an Oberforsthaus mit 293 (Zählung im Uhrzeigersinn). Die Nummerierung auf der Nordseite der Steine dieser Grenzlinie ist spiegelbildlich (Schwanheimer Zählung): Sie beginnt mit 1 am Oberforsthaus und steigt nach Westen konsekutiv an (gegen Uhrzeigersinn). Bei den Steinen vom Typ 4 ist die Relation Zahl (Nord) = 293 - Zahl (Süd). Beispiel: 33 = 393 - 260 oder 59 = 293 - 234. Beide Zählweisen beziehen sich an der Frankfurt-Schwanheimer Grenze demnach auf exakt die gleichen Grenzsteine. Eine Übersichtstabelle ist -->hier und eine GPX-Datei -->hier abzurufen.

ÜbersichtskarteDie Grenzlinie ist in der modernen Abbildung links rot eingezeichnet. Wir beginnen im Osten an der  Oberschweinstiege. Die Grenze verläuft  parallel zur Flughafenstraße bis zum Parkplatz Gleisdreieck, von wo sie die Bahnlinie nach Westen quert. Bis hier konnten keine Grenzsteine gefunden werden. Um dem weiteren Verlauf der Grenze zu folgen, müssen wir bis Naturfreundehaus an der Straße "Am Poloplatz" fahren, dann geradeaus gehen und vor den Gleisen rechts in die Grenzschneise einbiegen. Wir kommen dann an einen tiefen Einschnitt, der zur Trinkwassergewinnung angelegt wurde und gehen dem Zaun an dessen Nordseite entlang. Bald kommen wir an den Vogel-Karteersten Stein 15. Er ist sauber gearbeitet, gewölbt und auf der Nordseite mit einer "15" versehen. Die Südseite ist unbeschriftet. Zur Benennung der Steine s. weiter unten. Alle Steine dieser Grenze bestehen aus Basalt. Der nächste Stein 16 ist wie der  Stein 17 und der  Stein 18 nur grob behauen und mit der entsprechenden Nummer versehen. Stein 19 ist zerbrochen; eine Beschriftung ist nicht zu Steinkarte Osterkennen. Stein 20 entspricht dem Aussehen des Stein 15. Stein 20a ist unbeschriftet und passt nicht in das Schema dieser Steinreihe. Zudem ist er um 90 Grad verdreht. Stein 21 ist wieder nur grob behauen. Jetzt verlässt der Grenzgraben Weg und Zaun. Stein 22 ist verschwunden, der nur grob bearbeitete Stein 23 steht im Unterholz. Der Weg führt per Brücke über den Graben. Die Grenze verläuft vor der Brücke Richtung Golfplatz. Stein 24 war nicht zu finden.

FrankfurtSchwanheimDer folgende Abschnitt der Grenze ist nur über den Golfplatz erreichbar. Man hat mir freundlicherweise die Erlaubnis gegeben, die Grenzsteine dort zu dokumentieren. Der nur grob behauene Stein 25 steht dicht am Zaun vor dem Wasserwerk Goldstein. Weiter geht es immer dem Zaun entlang zum Stein 26, der zur Serie Stein 15 gehört. Die nächsten fünf Steine tragen ein "F" auf der Südseite und ein "S / Nummer" auf der Nordseite. Hier die Bilder von Stein 27, Stein 28, Stein 29 und Stein 30. Stein 31 fehlt. Der letzte Stein auf dem Golfplatzgelände, Stein 32, liegt heraus. Sein Kopf ist 24 cm breit, 16 cm tief und 24 cm hoch. Insgesamt misst er mit Fuß 82 cm. 

HNimages/F-HN/7095.JPGUm die restlichen drei Steine auf dieser Seite der A5 zu finden muss man von der oben erwähnten Brücke über die Benzengrundschneise nach Westen bis zur Eichengrundschneise gehen und dieser bis zu den Brunnenanlagen nach Norden folgen. Hinter den Brunnenanlagen geht es rechts den Zaun entlang, bis man an den Golfplatz kommt. Wenige Meter vor dessen Einfriedung steht Stein 33. Er ist stark gewölbt. Auf der Nordseite ist zu lesen: "SF 260", auf der Südseite "HN 33". Hier begegnet uns zum ersten mal die gegenläufige Zählung SF steht für Stadt Frankfurt, HN für Herzogtum Nassau. Dem Grenzgraben zurück kommt man an den nur grob behauenen Stein 34. Stein 35 vom Typ SF/HN befindet sich im Grenzgraben zwischen Eichengrundschneise und Autobahn. Er liegt heraus und trägt auf der sichtbaren Seite die Inschrift "SF / 258".

Die Grenzlinie westlich der A5

Steinkarte MitteSinnvollerweise parkt man seinen Wagen an der Kreuzung des Grenzwegs mit der Schwanheimer Bahnstraße, ca. 500 m nördlich des Bahnübergangs. Wir wollen den Spaziergang an der Autobahn beginnen, also begibt man sich auf dem Grenzweg oder auf den Schneisen nördlich oder südlich davon an die Kreuzung Grenzweg - Waldauschneise. Wir gehen jetzt nach Westen und finden  Stein 39 (hinter einem Drahtzaun), Stein 40 und Stein 41 (alle Typ 1) am deutlich sichtbaren Grenzgraben aus der Südseite des Weges.  Nach 650 steinlosen Metern erreichen wir an der Kreuzung mit der Unterschweinstiegschneise den "Mainzer Zollstock". Diese Zollstelle an der Straße von der Oberschweinstiege nach Schwanheim (mainzisch) wurde 1601 eingerichtet. Von ihr ist natürlich nichts mehr zu sehen. Nach 280 Meter kommen wir an den  Stein 50 (Typ 1). 70 Meter vorher erkennt man den quadratischen Kopf eines Basaltsteins nur wenig aus dem Boden ragen. Er besitzt eine seltsame Einbuchtung auf einer Seite. Wir haben ihn "Rillenstein" genannt. Es gibt auf dem Grenzweg mehrere davon, sie werden hier nicht einzeln dargestellt. Der nächste Stein 54 sitzt nicht tief im Boden, sein Fuß ist deutlich erkennbar. Er ist vom Typ 3 (Inschrift S 54 / F). Der Stein 56 wiederum ist vom Typ 4, der 1822 gesetzt wurde (Inschrift HN 56 / SF 237).

F-HN 65Wir bewegen uns auf dem Grenzweg an einem Abgrund. Der Sand und Kies der Kelsterbacher Terrasse wurde zum Bau des Gleisvorfeldes des Frankfurter Hauptbahnhofs abgebaut. Übrig blieb ein ca 20 m tiefer reizvoller Steilhang. Hinter Stein 56 macht der Grenzweg offensichtlich aus Sicherheitsgründen einen Bogen nach Süden. Wir folgen dem Grenzgraben geradeaus und erreichen bald Stein 59 vom Typ 4 (HN 59 / SF 234). An einem leichten Knick des Grenzgrabens finden wir den kleinen, kaum bearbeiteten Stein 60. Wir kommen jetzt an den Zaun des Schießstandgeländes. Durch den Drahtzaun sehen wir Stein Nr. 62 mit der Inschrift SF  231 (Typ 4). Die Rückseite müsste mit HN 62 beschriftet sein. Am Stein 64 treffen wir wieder auf den Grenzweg. Dieser Stein Typ 1 ist der einzige, der auf der Rückseite mit einem "F" gekennzeichnet ist. Der nächste Stein Nr. 65 (Typ 4) hängt nach Süden, der Kopf mit "HN 65" ist stark beschädigt. Um die Rückseite mit "SF 228" zu sehen, muss man ihn hinten freilegen. Der Stein Nr. 66 ist wieder vom Typ 1. Der Typ 3 Stein 67 ist insofern besonders, weil er die Inschriften "HN 67 / SF 206" trägt. Hier hat sich der Steinmetz geirrt: Es muss heißen "SF 226"!!

Steinkarte OstWir überqueren jetzt die Schwanheimer Bahnstraße. Etwas irritierend steht kurz vor dem ersten Abzweig auf der rechten Wegseite ein Grenzstein, der eigentlich nicht zu des Serie, die hier beschrieben wird, gehört. Die Südseite ist unbeschriftet. Stein 70 vom Typ 1 steht auf der linken Wegseite, 100 m von der Schwanheimer Bahnstraße entfernt. Wir gehen den Grenzweg weiter nach Westen, an mehreren Quellhäusern vorbei, überqueren die Lichtetalschneise und kommen kurz darauf zu Stein 74 vom Typ 1. Es fanden zum Zeitpunkt dieser Dokumentation Waldarbeiten in diesem Gebiet statt. Der Forst hat die Steine dankenswerterweise mit farbig markierten Holzstäben gekennzeichnet. So ist auch der spitze Stein 75 (Typ 1) nicht zu übersehen, dergleichen Stein 76 mit den Inschriften "S 76 / F" (Typ 2). Der im Kulturlandschaftskataser beschriebene Stein Nr. 77 konnte nicht gefunden werden, da er möglicherweise von einem Holzstapel bedeckt ist. Von diesem sind es noch rund 500 m zum Stein 83 vom Typ 3 ("HN 83 / SF 210). Unweit davon entfernt steht Stein 84, einer Mischung aus Typ 2 (Form) und 1 (Oberfläche). Der im Kulturlandschaftskataser beschriebene Stein Nr. 85 ist definitiv nicht vorhanden, wohl aber der letzte Stein 86 (Typ 2) dieser Grenzlinie.

Literatur, Archiv und Internet

Zorn F-HN 04In Lit. Bingemer aus dem Jahr 1924 werden Wanderungen im Frankfurter Umfeld empfohlen. Auch der hier beschriebene Grenzweg wird erwähnt. Man liest: ""Entlang der Parkmauer an der Alten Mainzer Straße sind noch einige mit dem Wappen des Herzogtums Nassau und der Freien Stadt Frankfurt versehenen Grenzsteine von 1822 erhalten." Es handelt sich um die heutige Flughafenstraße zum Parkplatz Gleisdreieck und die Parkmauer ist die des Weinberg-Parks. In Lit. Zorn (von 1931) ist der Stein 4 abgebildet (s. Kopie links). Leider stehen diese schönen Steine nicht mehr an der Parkmauer. Sie haben offensichtlich den Erlass von  Reichsminister Frick vom Winter 1937/37 überstanden, nach dem die innerdeutschen Grenzzeichen mit Ausnahme derer, die aus früheren Jahrhunderten stammen und historische Bedeutung erlangt haben Flughafenstraße(Stadt-Blatt der Frankfurter Zeitung, 16.5.1937, S. 3, Institut für Stadtgeschichte, Faszikel Grenzsteine). Die Steine fielen wahrscheinlich nach dem Krieg der Asphaltierung des Gehwegs zum Stadion zum Opfer. Im Institut für Stadtgeschichte findet man unter H.01.03/45 einen Vertrag zwischen Frankfurt und dem Herzogtum Nassau aus dem Jahr 1822 über die Neufestsetzung der Grenze entlang der Alten Mainzer Straße südlich des Oberforsthauses.. Auf dem beigefügten Plan erkennt man die neu festgelegte gradlinigen Grenze. Die neu besteinet Grenzpunkte sind mit gelben Punkten gekennzeichnet, die anderen mit roten Punkten. Die neuen Steine sind durchgehend nummeriert, allerdings wurde dabei nicht die alte Schwanheimer Zählweise benutzt. Stein Nr. 1 stand auf dem Grenzpunkt 3 der Schwanheimer Zählung. Diese Erkenntnis über die Zählweise von nicht mehr existierenden Grenzsteinen ist ziemlich akademisch. Aber: dieses Dokument belegt, dass 1822 acht Grenzsteine mit den Wappen auf beiden Seiten an der Alten Mainzer Straße platziert wurden. Es gibt keine Hinweise, wann die Steine vom Typ 4 (HN/SF) auf der weiterführenden Grenzlinie (wahrscheinlich als Ersatz von verlorengegangenen Steinen des Typs 1) gesetzt wurden. Fest steht nur, dass es zwischen 1806 und 1866 geschehen sein muss.

Theoretische Überlegungen

Wir schrieben oben: Die Vogelsche Nummerierung beginnt an der Grenzbrücke mit 1 und endet an Oberforsthaus mit 293 (Zählung im Uhrzeigersinn). Die Nummerierung auf der Nordseite der Steine dieser Grenzlinie ist spiegelbildlich (Schwanheimer Zählung): Sie beginnt mit 1 am Oberforsthaus und steigt nach Westen konsekutiv an (gegen Uhrzeigersinn). Bei den Steinen vom Typ 4 ist die Relation Zahl (Nord) = 293 - Zahl (Süd). Beispiel: 33 = 393 - 260 oder 59 = 293 - 234. Beide Zählweisen beziehen sich an der Frankfurt-Schwanheimer Grenze demnach auf exakt die gleichen Grenzsteine.

RiedwiieseJetzt wird es etwas komplex. Am Hinkelstein stießen Frankfurt, das Großherzogtum Hessen (Kelsterbach) und das Herzogtum Nassau (Schwanheim) zusammen. Der Hinkelstein hat nach Vogel die Nummer 201, nach der Schwanheimer Zählung die Nummer 92. Dem Kulturlandschaftskataster ist zu entnehmen, dass nördlich des Hinkelstein-Grenzpunktes weitere Grenzsteine stehen, die mit den Zahlen der Schwanheimer F-HN 106Zählung versehen sind. Demnach existiert als nächster Stein der mit der Nummer 105 am Fuß der Kelsterbacher Terrasse. Ich selbst konnte wenige  Meter nördlich der Holzbrücke über einen Graben den Stein 106 (Typ 1) ausmachen. Der Abbildung aus dem Kulturlandschaftskataster (links) kann man die Standorte dieser Steine entnehmen. Stein 106 ist auf der Karte rot markiert. Interessant dabei ist, dass diese Steine mitnichten die Gemarkungsgrenze markieren, sondern eine Gütergrenze, nämlich die Grenze des Schwanheimer Waldes und der Schwanheimer Feldmark, zu der auch die Riedwiese gehört. Dies bedeutet, dass die Grenzsteine vom Typ 1 die Grenzen des Schwanheimer Waldes markierten. Jetzt kann man seine Phantasie walten lassen und folgende Arbeitshypothese aufstellen:
 
Ursprünglich war der kurmainzische Schwanheimer Wald mit nur grob behauenen Steinen vom Typ 1 markiert, die mit einer fortlaufenden Nummer (mit dem Oberforsthaus als Startpunkt und gegen den Uhrzeigersinn) beschriftet waren. Frankfurt war dabei nicht involviert. Vogel setzte seine Nummerierung im Uhrzeigersinn ab dem Hinkelstein nicht mehr mit 202 fort, sondern begann stattdessen die Schwanheimer Steine im Uhrzeigersinn neu zu zählen. Verlorengegangene Steine vom Typ 1 wurden zunächst mit besser bearbeiteten Steine des Typs 2 ersetzt. Um 1820 (nach Lit. Bingemer) wurden Steine vom Typ 4 (HN /SF) gesetzt, wobei die adaptierte Vogelsche Nummerierung auf der Frankfurter Seite eingeschlagen wurde. Nach 1866 kamen dann die Steine vom Typ 3 zur Anwendung. Hier wurde schlicht mit "S" und "F" gearbeitet (= kein Hinweis auf Landesgrenze) und auf die Vogelsche Nummerierung verzichtet.

Museum SchwanheimIm Hof des Schwanheimer Heimatmuseums sind drei der oben genannten Steine von der Riedwiese aufgestellt, sowie ein relativ großer Grenzstein mit der Beschriftung "GH" auf der einen und "HN" auf der anderen Seite (Abb. rechts). Es handelt sich um einen Landesgrenzstein zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Herzogtum Nassau. In Lit. Roscher wird auf S. 149 sein ehemaliger Standort auf der Gemarkungsgrenze zwischen Frankfurt und Kelsterbach angegeben, der jetzt unter der "Kelsterbacher Spange", der B43 liegt (Stein Nr. 8). Auch im Archiv des Stadtmuseums Kelsterbach sollen Steine von der Riedwiese gelagert sein.

Ergänzend kann man zu den Gütersteinen an der Riedwiese erwähnen, dass ich an der Rechten Wiese in der Nähe der  Kobelt-Ruhe einige Gütersteine gesehen habe. Es ist zu vermuten, dass früher alle Schwanheimer Wiesen entsprechend ausgesteint waren.

Ebenfalls nur zur Ergänzung: In dem oben erwähnten Buch von Roscher (erschienen 1990) wird erwähnt, dass am Kelsterbacher Grenzweg, der den Kelsterbacher Wald gegen den Mönchwald abgrenzte, noch drei Grenzsteine aus blauem Basalt stehen. Bei einer Begehung im März 2020 konnten diese nicht gefunden werden. Ein Stein dieser Grenzlinie steht im Stadtmuseum Kelsterbach. Er ist auf einer Seite mit KGW / 1713 und auf der anderen Seite mit einem verschlungenen CC beschriftet (Kelsterbacher Gemeindewald und Clarissen-Closter, dem der Mönchwald gehörte).


Die Stadtwaldgrenze zu Kelsterbach

Kelsterbacher GrenzeDieser Abschnitt gehört eigentlich in das Kapitel F-GH, zur Grenze zwischen Frankfurt und dem Großherzogtum Hessen (Kelsterbacher Wald). Dort sind die vier Grenzsteine zwischen dem Vierherrenstein und dem Flughafen (Autobahn A5) beschrieben. Aus geografischen (und zeitlichen) Gründen soll der Grenzabschnitt westlich des Flughafens  hier behandelt werden. Die Grenze verlief früher quer über den heutigen Flughafen, knickte bei Stein 187 (Vogelsche Zählung) nach Norden ab und erreicht dann den Hinkelstein. Der Grenzverlauf nordwestlich der B 43 auf der Höhe des "The Squire"- Parkhauses war nicht leicht zu finden, da mehrere Grenzänderungen stattgefunden haben und der Grenzverlauf durch die Trassen der S-Bahn und der B 43 Richtung Kelsterbach mehrfach unterbrochen wurde. Ich hatte im südöstlichen Teil der Grenze die Grenzschneise, die Kelsterbacher Schneise und die Kirchschneise zur Auswahl (s. Kartenausschnitt aus Lit. F-NH 186Langer). Der ehemalige Grenzverlauf klärte sich durch den Fund des Steines F-GH 181 an der Kelsterbacher Schneise in der Nähe der B43. Es ist ein relativ neuer Stein mit den Inschriften "F" und "K". Um an den nächsten Stein zu gelangen, folgt man der Kelsterbacher Schneise nach Nordwesten, vorbei an einem Versickerungsgraben, bis diese einen Bogen nach Norden macht. Man geht 60 Meter geradeaus einem aufgelassenen Weg entlang und findet den sehr alten, beschädigten Stein F-GH 186. Auf der NO-Seite ist ein "F" eingemeißelt, auf der SW Seite erkennt man ein "W". Wahrscheinlich stand dort "EW" für Eigenwald. In der Nähe steht ein hübsches Brunnenhäuschen aus dem Jahr 1903. Geht man von dem Stein weitere 100 Meter nach Nordwest erreicht man dem Knick der Grenze nach Norden (Grenzpunkt 187), erahnbar durch den Verlauf des Grenzgrabens. Nördlich dieser Stelle konnte ich trotz intensiver Suche keine historischen Grenzsteine mehr finden. Ein moderner Stein steht an der B 43 Ausfahrt nach Kelsterbach. Man erreicht diesen Teil der Grenze am besten, wenn man am Kelsterbacher Forsthaus Hinkelstein parkt, dann die B43 überquert und sich dann am Pumpwerk Hinkelstein gen Süden rechts abbiegt um zur Kelsterbacher Schneise zu kommen.
Im Stadtmuseum Kelsterbach ist ein großer Basaltstein mit der Beschriftung EW / F ausgestellt, der von dieser Grenze stammt.
Kartendaten (C) OpenStreetMap - Mitwirkende, SRTM I Kartendarstellung: (C) OpenTopoMap (CC-BY-SA)

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