Main-Neckar-Bahn Markierungssteine


In
einem Privatgarten in Sprendlingen fand ich einen Stein, der ein
eigentümliches Signet aufwies. Er soll an der Main-Neckar-Bahn
gefunden worden sein. Per Zufall erhielt ich einen Hinweis, dass
nördlich des Buchschlager Bahnhofs auf der Ostseite der
Schienen
einige solcher Steine zu finden seien. In der Tat fand ich
nicht
nur
dort, sondern auch südlich des Abzweiges der Dreieichbahn
insgesamt 24 dieser Abmarksteine. Das Format ist einheitlich 20 x 15 cm
(BxT), Kopf
gewölbt, keine Weisung, Material Rotliegendes. Die
Steine
stehen z.T. an einem noch gut sichtbaren Graben. Zwei davon sind
offensichtlich später erneuert worden, sie zeigen kein Signet.

Mit
einem Klick auf die Karte kann man die Lage der Steine erkennen.
Offensichtlich handelt es sich um eine Abmarkungslinie der
Main-Neckar-Bahn. Im Norden, Richtung Neu Isenburg, wurde diese Linie
durch die Anlage eines Rangiergleises zerstört, die Steine im
Bebauungsbereich von Buchschlag gingen verloren. Der erste Stein im
südlichen Bereich steht südlich des Abzweiges der
Dreieichbahn. Der letzte dieser Serie findet man am südlichen
Ende
des Waldes an der Langener Grenze. Es ist nicht
auszuschließen,
dass diese Steinreihe Richtung Langen weitergeführt wurde, ich
konnte allerdings keine dieser Steine mehr finden. Der Besitzer des
o.g. Privatgartens erklärte, er habe den Stein in der Rostadt
in
der Nähe der Bahnlinie herausliegend gefunden, ein deutlicher
Hinweis, dass die Serie nach Süden hin weiterging.
Ich habe versucht, mich über die Historie der Main-Neckar-Bahn
kundig zu machen. Herr Andreas Illert aus Buchschlag teilte mir
folgendes Zitat aus einer Festschrift mit:
"Das Hauptproblem
für den Bahnbau von Frankfurt bis Heidelberg lag in
der politischen Gliederung des Gebiets in drei selbständige
Kleinstaaten: Baden, Hessen-Darmstadt und Frankfurt. Diese Problematik
bekam zuerst die Privateisenbahngesellschaft zu
spüren, die sich am 31. Januar 1836, also schon 6 Wochen nach
der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn in
Nürnberg, in Darmstadt konstituiert hatte. Allein zwei
Jahre verhandelten die drei Staaten, um in einem Staatsvertrag
die rechtlichen Grundlagen für den Bau der Bahn zu schaffen.
Am 10. Januar 1838 wurde der entsprechende Staatsvertrag
zwischen den Großherzogtümern Baden und Hessen und
der Freien Stadt Frankfurt geschlossen. Jetzt konnte die Gesellschaft
die Trasse festlegen und sie im Sommer 1838 sogar vermessen und
abstecken. Trotz dieser umfangreichen Vorarbeiten scheiterte der
Bahnbau. Große Banken in Mannheim und Frankfurt weigerten
sich, Kredite zu günstigen Bedingungen zur Verfügung
zu stellen, als von staatlicher Stelle die Forderung erhoben wurde, die
Baukosten schon im Voraus aufzubringen. Im Dezember 1841
löste sich die Gesellschaft wieder auf.
Der Darmstädter Eisenbahngesellschaft mit ihren
führenden Männern bleibt allerdings der Verdienst,
den Stein für einen Bahnbau ins Rollen gebracht zu haben."
Literatur: Warmbold

Im
Jahr 1843 einigten sich die drei Länder, diese Linie auf
Staatskosten zu bauen. Bereits 1846 war sie dann von Frankfurt nach
Heidelberg durchgehend befahrbar. Man kann also davon ausgehen, dass
unsere Abmarksteine im Jahr 1838 gesetzt wurden. Mitarbeiter des
Staatsarchives in Darmstadt identifizierten auf Anfrage das
zunächst rätselhafte Signet als ein "E" in
Frakturschrift.
Man kann vermuten, dass dies wohl für "Eisenbahn" steht.

In
der Nähe des Steins MNB 48 befinden sich, halb
vergraben,
am Bahngleis zwei konisch-runde Sandsteinpoller (Radabweiser) in ca. 5
m Abstand. Sie
stehen in Fortsetzung der jetzt zugewachsenen Steingrundschneise. Das
deutet darauf hin, dass früher an dieser Stelle ein
Bahnübergang war. Diese Vermutung wurde durch das
Messtischblatt
von 1887 bestätigt: dort war ein Bahnübergang
eingezeichnet. Ca. 5 m nördlich von MNB 48 findet
man
einen unmarkierten Stein aus Basalt (BxTxH: 14 x 14 x 5 cm),
der die
nördliche Seite der Schneise markiert.

Es
gibt inzwischen (Juli 2011) etwas Neues zu berichten.
Zufälligerweise
sah ich auf dem Gleisbett der S-Bahn am Arheilger Bahnhof den rechts
abgebildeten Stein. Beim genaueren Hinschauen entdeckte ich das
von den Buchschläger Steinen bekannte Signet. Dieser Stein ist
ein sicherer Beleg
dafür, dass die
Bahnlinie nicht nur nördlich und südlich des
Bahnhofes
Buchschlag mit
diesen Steinen markiert war, sondern auch hin bis Darmstadt im
Süden
und wahrscheinlich Niederrad im Norden. Die Bergung des Steines ist
komplexer als gedacht: man darf nicht einfach auf das Gleisbett steigen
und den Stein aufheben. Mit Unterstützung der DB wurde der
Stein im August 2011
gesichert und soll im Kranichsteiner Eisenbahnmuseum aufgestellt
werden.
Ein weiterer Stein mit diesem Signet wurde in Bensheim
identifiziert. Er war in einer Mauer am Hemsberg integriert. Als diese
abgebrochen wurde, konnte der Stein sichergestellt werden. Dieser Fund
(wie immer der Stein in die Mauer gekommen sein mag) ist ein
starker Hinweis darauf, dass 1838 die
gesamte Strecke von Frankfurt nach Heidelberg mit diesen Steinen
markiert wurde. Allerdings konnten nördlich des Neu-Isenburger
Bahnhofs (bis zur Autobahnbrücke) keine
weiteren historische
Steine identifiziert werden. Man findet dort nur moderne
Markierungssteine (z. T. herausliegend). Ein quaderförmiger
Stein
mit einer Kreuzweisung und der Aufschrift SF (?) steht an der
Bahntrasse südlich der Autobahnbrücke.

Im September 2012
wurde der in Arheilgen gefundene Stein im
Eisenbahnmuseum Darmstadt-
Kranichstein
anlässlich des Dampflokfestes der
Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Das jetzt älteste
Ausstellungsstück
im Museum (aus dem Jahr 1838) wurde nach einer kleinen Ansprache des
Museumleiters enthüllt. Der Stein steht wohlverwahrt in der
Abteilung Oberbau des Museums zwischen Schwellen, Befestigungselementen
und Schienen. Der Besuch des Museums lohnt sich nicht nur wegen dieses
alten Markierungssteins!
Anmerkung Februar 2024: Im
Oktober 2023 meldete sich eine Dame bei mir: An der Main-Neckar-Bahn
südlich des Buchschlager Bahnhofs läge ein Grenzstein heraus.
Wir suchten diesen gemeinsam auf und stellten fest, dass es sich um den
Markierungsstein MNB 47 handelt. Eine Neuaufstellung war kaum
möglich, weil die Stelle wegen Verschlammung mit einem normalen
Fahrzeug nicht zugänglich war. Einige Tage später
brachte die Dame den Stein mit ihrem Fahrradanhänger zu mir
nach Hause. Er wurde von mir gesäubert und zierte einen zeitlang
meinen Garten. In Zusammenarbeit der Freunde Sprendlingens und des
Geschichtsvereins Buchschlag konnte der Stein zum
Teminalia, dem Tag des Grenzsteins am 23. Februar 2024 vor dem Buchschlager Bahnhof neu gesetzt werden. Eine Tafel mit einem
QR-Code ermöglicht den Aufruf eines Textes über die Geschichte des Steines und des Bahnhofs. Lesen Sie
-->HIER einen Artikel aus der Offenbach-Post vom 28.02.2024.
Abzweig Dreieichbahn

Auf
dem südlichen Zwickel des Abzweiges der Dreieichbahn von der
Main-Neckar-Bahntrasse findet man einen Stein aus
Basalt (HxBxT:
18x20x20): Kopf gerade, keine Weisung, mit einem "G" auf der
Ostseite. Weitere 12 dieser Steine sind auf der
Buchschlager Seite der Abzweigkurve der Dreieichbahn zu finden
(zwischen Parkplatz am Bahnübergang und dem
Fußgängerübergang/Drängelgitter
am Ende der Gleiskurve). Zwei weitere Steine
dieser Reihe (Richtung Bahnhof) sind nicht beschriftet und haben einen
gewölbten Kopf (mit Kreuzmarkierung) und sind mit
weißer
Farbe markiert. Zwei kleinere Markierungssteine aus Sandstein (DRB 07 +
08 in der Karte unten), ca. 4 m voneinander entfernt, findet man an
der
Stelle, wo die Brunnenschneise auf der Buchschlager Seite auf
die
Dreieichbahnlinie trifft.

Alle diese Steine müssten vor dem Bau der
Dreieichbahn um 1902 gesetzt worden sein (die Bahn wurde 1905
eingeweiht). Ob diese Steinreihe östlich des
Drängelgitters
am Ende der Gleiskurve, konnte nicht
überprüft werden (dichter Bewuchs). Nachtrag August
2012: Im
Langener Stadtarchiv fand ich eine Flurkarte aus dem Jahr 1850, in
der nachträglich die Trasse der Dreieichbahn mit den
besteinten
Grenzpunkten eingezeichnet ist. Oben erkennt man ein Stück der
heutigen
"Buchschlager Allee".
Nachtrag 8/16:
Mit Herrn
Michael Zohner
habe ich das Gebiet entlang der Dreieichbahn zwischen dem
Drängelgitter am Ende der Gleiskurve und dem Waldrand im Osten
erkundet. Wir konnten in der Tat fünf weitere Steine der
beschriebenen Serie mit dem "G" nachweisen. Einer davon lag heraus und
sollte gelegentlich gesichert werden. Interessanterweise standen zwei
der Steine links und rechts des Durchlasses vom Buchbachs (im Sommer
trockenliegender Graben) unter dem Bahndamm nur wenige Meter
voneinander entfernt. Eine Überprüfung im GIS ergab,
dass es
sich um zwei aktuelle Grenzpunkte handelt. Nach Ende der
Vegetationsperiode solle an diesen Grenzpunkten nochmals gezielt
gesucht werden. Ein Stein dieser Serie steht übrigens in einem
Buchschlager Privatgarten.
Anmerkung
12/16:
Ich hätte eigentlich früher darauf kommen
müssen. Die
Gemarkung Buchschlag wurde Ende 1905 aus der Gemarkung
Mitteldick
herausgelöst. 1913 wurde Buchschlag eine
eigenständige
Gemeinde der die Gemarkung Buchschlag zugeordnet wurde (s.
Wikipedia-Artikel).
Die Gemarkungsgrenze verlief nördlich der Dreieichbahn! Das
bedeutet, dass die oben beschriebenen Steine nichts mit der
Dreieichbahn
zu tun haben, sondern dass es sich um Gemarkungsgrenzsteine handelt,
die nach 1905 gesetzt worden sind. Das "G" auf den Steinen bedeutet
"Gemarkung".
Weitere
Steine nördlich des Buchschlager Bahnhofs

Im
Abschnitt nördlich der Eisenbahnunterführung in
Buchschlag
findet man neben den oben beschriebenen, 1838 gesetzten Steinen noch 14
weitere Grenzsteine aus Granit, 13 mit einem "K" und einer (der
nördlichste) mit einem "M" auf dem Kopf (13x13). Eine
Überprüfung der Grundstücksgrenzen zeigte,
dass diese
Steine nicht an Grenzeckpunkten stehen. Möglicherweise weisen
sie
auf unterirdische Leitungen hin.
Anmerkung
11/22:
Karel Schimek, ein Mitarbeiter der DB Netz AG, wies freundlicherweise
darauf hin, dass es sich nicht um ein "M", sondern um ein "W" handelt,
ein Hinweis auf eine unterirdische Wasserleitung. "K" markiert den
Verlauf unterirdischer Kabel.

Nebenstehend
finden Sie zwei Karten (in unterschiedlichem Maßstab), in
denen
die Positionen der nach 1838 gesetzten Steine zu entnehmen sind. Linkes
Bild: Steine nördlich des Buchschlager Bahnhofs, rechtes Bild:
Abzweig der Dreieichbahn.
Fotografien und Koordinaten können bei Bedarf zur
Verfügung
gestellt werden.
Markierungssteine
auf Frankfurter Gemarkung
Im Oktober 2013 erhielt ich eine Information von Herrn Stipovic aus
Neu-Isenburg, dass er einige Steine nördlich der
Brücke der Isenburger Schneise über die
Main-Neckar-Bahn gefunden hätte. Sollte es sich etwa um die
Markierungssteine der Main-Neckar-Bahn auf dem Gebiet der freien
Reichsstadt Frankfurt handeln?

Bei
der darauf folgenden
Suchaktion bemerkten wir dort seltsame Geländeformationen im
Wald: Parallel zur Bahnlinie fiel das Gelände in zwei
Stufen auf das Niveau der Schienen ab. Der Streifen zwischen den beiden
Stufen hatte eine konstante Breite. Die zweite Stufe endete ca. 30 m
vor der Bahnlinie. Auf diesem Streifen war relativ viel Betonschutt
verstreut. Eine Rückfrage bei dem Frankfurter Forstamtleiter,
Herrn Divisch, brachte Aufklärung: Im Rahmen der Planung der
Autobahn A3 in den Vorkriegsjahren war vorgesehen, die Stresemannallee,
direkt von der heutigen Friedensbrücke vierspurig ausgebaut
entlang der Main-Neckar-Bahn zur Autobahn zu führen. An der
Trasse
wurde damals bereits gebaut. Diese
Planung wurde zugunsten der Anbindung an die Anschlussstelle Frankfurt
Süd über die heutige Kennedyallee aufgegeben.
Die alte Trasse entspricht dem Streifen zwischen den beiden
Böschungen. In dem Messtischblatt von 1964 links ist die
Straßentrasse zwischen den beiden Böschungen
deutlich zu
erkennen. Im Norden wird dieses
Gebiet von der Straßenbahnlinie Louisa / Neu-Isenburg
begrenzt,
die dort in einem Geländeeinschnitt geführt wird.
Einer
Luftaufnahme aus dem Jahr 1944 ist zu entnehmen, dass an der geplanten
Autobahnauffahrt
bereits die Bäume gerodet worden sind. Interessanterweise ist
die
Kontur dieses geplanten Kleeblatt-Kreuzes heute noch in Google Earth zu
erkennen. Auf dem verlinkten Bild erkennt man die A 3, die Isenburger
Schneise und die in Nord-Süd-Richtung verlaufende
Main-Neckar-Bahn.

Auf
dem Geländesporn zwischen Straßenbahneinschnitt und
dem
Zwischenstreifen fanden wir einen locker stehenden unbeschriften
Basaltstein (B 20 x T 14 x H 24) mit gewölbten Kopf und einem
Kreuz als Weisung. 25 und 120 m weiter dem Abhang der
Straßenbahnlinie entlang fanden wir zwei weitere Steine aus
der
gleichen Serie, dort allerdings nur ca. 10 cm aus dem Boden schauend.
Es ist anzunehmen, dass entlang der Straßenbahntrasse sich
noch
weitere Begrenzungssteine finden lassen; wir haben auf die weitere
Suche verzichtet. Diese Steine markierten die Trasse der
Waldbahn
Frankfurt, die 1889 in Betrieb ging und 1929 - 1929
elektrifiziert wurde.


Der
interessantere Fund befand sich etwas weiter südlich am Rand
des
zweiten Abhangs. Der Basaltstein (B 15 x T 15 x H 20, insgesamt 52 cm)
lag heraus und wurde von uns an der Fundstelle wieder aufgerichtet. Die
Kanten des Steines sind sauber abgeschrägt. Der flache Kopf
trägt ein schwer erkennbares Zeichen. Mit einigem guten Willen
kann man ein zerfurchtes "E" erkennen. Man kann jetzt spekulieren, dass
es sich um einen 1838 gesetzten Markierungsstein der Main-Neckarbahn
handelt. Auf dem Territorium der Freien Reichsstadt Frankfurt
ist
er mit einem lateinischen "E" auf dem Kopf versehen anstelle des
Fraktur "E"

auf der Vorderseite der Steine auf dem
Gebiet des Großherzogtums Hessen. Dem
Hessen-Viewer
ist zu entnehmen, dass die Grenze zwischen Stadtwald und dem
Bahngelände dort direkt an der oberen Kante der zweiten
Böschung verläuft. Es ist aber nicht anzunehmen, dass
sie
1838 dort verlief. Die damaligen Planer haben die Trasse sicherlich
dichter am vorgesehenen Schienenverlauf abgesteint. Bei der
Neutrassierung (und Neuvermessung) des Geländes in den 1930er
Jahren dürften die alten Steine eliminiert worden sein.
Möglicherweise ist einer davon an der neuen Grenzlinie
aufgestellt
worden. Beenden wir jetzt die Spekulation. Es wäre aber
sicherlich
hilfreich, wenn noch ein weiterer Stein der Serie gefunden werden
würde.
nach oben